Intendant Michael Lakner setzt in Baden auf Vielfalt.


Foto: Peter Schnetz

Wien – Natürlich ist Operettenweltkenner Michael Lakner auf Mörbisch anzusprechen – auf die hurtige Abberufung von Gerald Pichowetz als Intendant noch vor Amtsantritt: "Wir sind alle nicht involviert, wissen nichts über Details. Zweifellos aber ist das eine kulturpolitische Blamage. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Kompetenz in Verträgen genau definiert sein sollte. Vertragliche Ungenauigkeit bringt Probleme."

Dann allerdings gleitet Lakner, der lang Jahre in Bad Ischl tätig war, zu Baden, wo er nun als Intendant wirkt: "Ein Glück: Ich haben eine Geschäftsführerin, die künstlerisch denkt, und ich bin ein künstlerischer Leiter, der wirtschaftlich denkt, das ist ein Vorteil. So etwas kann auch anders ausgehen. Am Beginn muss man denn auch unbedingt klären, wer wofür im Detail zuständig ist."

Die Wirtschaftlichkeit sei wichtig, "nur künstlerisch zu denken, geht natürlich nicht. In Bad Ischl war ich aber Intendant und auch noch Geschäftsführer. Jetzt liegt der Schwerpunkt für mich auf der künstlerischen Arbeit", was dem inneren Wohlergehen sicher nicht schadet. "Wir bringen vier Badener Erstaufführungen: das Musical Grand Hotel, die Operette Die Kaiserin zum 300. Geburtstag von Maria Theresia, ein Meisterwerk von Leo Fall, mit höfischer Musik, Volkslied, Märschen, Polkas und Walzern. Weiters kommt das Musical Cage aux Folles und Oscar Straus' Eine Frau, die weiß, was sie will. Als Krönung dann – Sommer 2018 – die österreichische Erstaufführung von Frank Wildhorns Bonnie & Clyde."

Was die Operettenästhetik an sich anbelangt, sieht Lakner Bedarf "nach Abstraktion, nach einer heutigen Bühnensprache jedenfalls. Die Operette war ja subversiv, eine Art gesellschaftlicher Spiegel. Leider ist das mittlerweile zu brav geworden. Ich will die ganze Bandbreite der Möglichkeiten zeigen. Deswegen habe ich auch Leonard Prinsloo als Hausregisseur engagiert und lade auch Künstler ein, die man nicht unbedingt erwarten würde: etwa Georgij Makazaria von Russkaja als Jupiter in Offenbachs Orpheus in der Unterwelt, der am Freitag Premiere hat. Er dachte zuerst, er sei im falschen Film, jetzt findet er es fantastisch und ist auch musikalisch total am Punkt."

Tanz den Dialog

Eine leichte Kunst ist die Operette jedoch nicht: "Wer in Baden engagiert ist, muss alles können: Singen, Spielen, Tanzen. Eine gute Operettenaufführung ist für mich ein Nestroy oder Schnitzler mit Gesang und Tanz." Als Operettendarsteller müsse man "flexibel und vielseitig sein. Es gibt ja schwere Arien, Duette und Finali und dann oft diese langen Dialoge mit viel Tanz dazwischen. Dieser Wechsel kann ermüden. Viele Sänger meiden die Operette, da sie befürchten, sich zu verausgaben."

Grundsätzlich sei Baden für Lakner, der selbst zweimal inszenieren wird, ein Mehrspartentheater "mit Fokus auf Operette. Es geht im Grunde aber um Unterhaltungstheater, was Musicals und – einmal im Jahr – Spieloper einbezieht. Letztere ist auch für Klangflexibilität unseres fixen Orchesters wichtig. Mir ist auch das Sprechtheater ein Anliegen. Es gibt Gastspiele des Landestheaters Niederösterreich mit beispielsweise Gogols Revisor." Das muss natürlich alles finanziert werden: "Unser Budget beläuft sich auf neun Millionen Euro bei einer Eigendeckung von etwa 30 Prozent. Wir präsentieren ja jährlich in zwei Theatern stolze neun Produktionen – plus große Konzertreihe und Kammerveranstaltungen. Auch braucht die Sommerarena eine Finanzspritze, da die Fassade renoviert werden muss."

Es gibt auch die Bewerbung Badens für die Rolle als Europäische Kulturhauptstadt 2024. Müsste Lakner Argumente anführen, er würde das "große kulturelle Erbe der Stadt" betonen. Die Tatsache, "dass der Nachlass des Komponisten Carl Millröcker gut geordnet im Rollettmuseum aufbewahrt wird, wäre zu nennen." Auch müsse man daran erinnern, dass "Richard Genée nicht nur ein legendärer Badener Bürger und Textdichter der Fledermaus war, sondern auch ein eigenständiger Komponist. Carl Michael Zieherer hatte übrigens auch ein Haus in Baden. Und es wurde ja Mozarts Ave verum in der Stadtkirche St. Stephan uraufgeführt." Und eine funktionierende Musiktheaterwelt hat Baden ja auch. (Ljubisa Tosic, 21.6.2017)