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Die Vorbereitungen für die EU-Gipfel in Brüssel sind bereits Routine.

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Beim aktuellen Treffen der Staats- und Regierungschefs stehen viele komplexe Themen auf dem Programm, etwa die kritische Lage bei der Migration auf der zentralen Route von Libyen nach Italien.

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Es wird das "ein Arbeitsgipfel" sein, sprich: viele Themen, keine großen Entscheidungen und keine Durchbrüche bei wichtigen politischen Fragen. Mit dieser gedämpften Erwartung treffen einander nach Einschätzung aus Regierungskreisen in Berlin die Staats- und Regierungschefs der Union ab Donnerstag zum zweitägigen regulären EU-Gipfel in Brüssel.

Es gebe angesichts der weltpolitisch und auch in Europa nach Wahlen deutlich geänderten Lage inhaltlich sehr viel aufzuarbeiten, was seit dem Sondertreffen in Bratislava im September des Vorjahres liegen geblieben sei, heißt es unter Diplomaten in der EU-Hauptstadt: "Das Klima hat sich geändert." Nicht zuletzt unter dem Eindruck der Brexit-Verhandlungen wachse nun die Einsicht, dass die EU-27 viel mehr als bisher mehr Einheit brauche.

Ganz vorne auf der Agenda stehe die Sicherheitspolitik, teilte der Ständige Ratspräsident Donald Tusk in seinem Einladungsschreiben mit, sowohl was die innere Sicherheit betrifft (bis hin zu Fragen der Sicherung der Außengrenzen und den Problemen mit der illegalen Migration), aber auch bei der Weiterentwicklung einer (eigenen) gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik mit der Vision einer integrierten Militärpolitik. Gemäß Vorlage der EU-Kommission soll die Verteidigungspolitik vorangetrieben werden beim Beschaffungswesen, die "niemanden verpflichtet, aber auch niemanden ausschließt".

Terrorbekämpfung zentraler Punkt

Angesichts der jüngsten Serie von Terroranschlägen will Tusk die Zusammenarbeit der Polizeibehörden bei der Bekämpfung des Terrors an die Spitze der Beratungen setzen. Zu den bisherigen Bemühungen, gegen Islamisten und Radikale effizienter durch bessere Vernetzung der Behörden und der Geheimdienste vorgehen zu können, soll ein neuer Schwerpunkt im Internet gesetzt werden. Gemeinsam mit der Industrie will die EU den Kampf gegen die Propaganda von Islamisten aufnehmen.

Eines der Hauptthemen dürfte am zweiten Gipfeltag jedoch die kritische Lage bei der Migration auf der zentralen Route von Libyen nach Italien werden, worüber in Österreich eine heftige Debatte ausgebrochen ist. Dazu gebe es "erhöhte Dringlichkeit", heißt es. Tusk betont, dass "die Zahl der Migranten nach Italien, die auch vorwiegend aus wirtschaftlichen Gründen kommen, im Vergleich zum Vorjahr um 26 Prozent gestiegen ist". Bereits 1900 Menschen seien in diesem Jahr im Mittelmeer gestorben, "das Schlepperwesen nimmt eine neue Dimension an".

Der Gipfel wird daher das im Februar auf Malta beschlossene Zehn-Punkte-Programm zur Eindämmung der Migration von Libyen aus einer Revision unterziehen und neue Aufträge geben. So soll die Zusammenarbeit mit der libyschen Küstenwache, Training und Ausbildung der Beamten, verstärkt werden. In den Vorbereitungsdokumenten ist davon die Rede, dass bisherige Maßnahmen zur Zerstörung von 400 Schlepperbooten und zur Verhaftung von 100 Schmugglern geführt haben. Das sei jedoch zu wenig.

Kooperation mit Afrika

In den vorgesehenen Schlusserklärungen ist vorgesehen, dass die Union darüber hinaus jetzt vor allem die Kooperation mit den Herkunft- und Transitländern der Migranten und Flüchtlinge verstärken solle, um den Druck zu verringern. Von einer "Schließung" der Mittelmeerroute, wie das vor einem Jahr bei einem Brüsseler Gipfel bei der Balkanroute als Ziel angegeben wurde, ist allerdings keine Rede. Tusk lässt aber auch keinen Zweifel daran, dass der Migrationsdruck aus Libyen durch ein Bündel von Maßnahmen deutlich reduziert werden soll, insbesondere Finanzhilfen an Afrika.

Neben den Sicherheitsfragen wird es einige außenpolitische Schwerpunkte geben. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel will mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron einen Bericht zur Ukraine geben, und die Verlängerung der Sanktionen gegen Russland um sechs Monate empfehlen. Eine heikle Debatte dürfte es zur Türkei geben, aber ohne jede Änderung des Kurses: Die Beitrittsverhandlungen bleiben eingefroren, werden aber nicht suspendiert, trotz der Menschenrechtsverstöße in Ankara. (Thomas Mayer aus Brüssel, 22.6.2017)