Der Preis der Selbstentblößung – Hannah und die Folgen
Lieblingsmomente der "Girls"-Geschichte gab es immer – nennen wir sie "Hannahismen" -, Worte, Sätze, Gesten, Mimiken, in denen lag die ganze Wahrheit – komisch, irritierend, irrwitzig, traurig, ergreifend, erhellend, aufwühlend. In Staffel fünf, Folge sechs, sitzt Hannah vor ihrem Laptop und schaut den Film von Adam, Titel: Vollständige Offenlegung. Hannah sieht einen jungen Mann und eine junge Frau, die zwei haben Sex, sie kommen und sind jetzt von ihren Gefühlen überwältigt. Er: "Das ist so perfekt, dass es Angst macht." Sie sieht sich und Adam, ihrer beider Vergangenheit, dargestellt von Schauspielern. Wir hören Hannah sagen: "Das ... das ist toll ..., ja toll. Ganz ehrlich ..." Aber sie? Sagt nichts. Schaut zu, sagt nichts. Ende. Hannahismus. Denn jetzt können, sollen wir denken: Wie geht es ihr? Vor allem: Wie würde es mir gehen? Was würde ich tun?
"Girls" war voll von diesen Momenten und immer forderte Lena Dunham die Zuschauer – aber auch sich und macht es noch. Sie stellt ihren Körper aus, gibt Inneres preis und zwar in einer Intensität, die verwundern mag. Ist es wirklich notwendig, so viel von sich offen zu legen? Nacktselfie, Geständnisse, gut einsehbare Blicke auf Schwabbelbauch, Celluliteschenkel, Oberarmwabbel? Natürlich ist es notwendig, den inneren Schweinehund in sich kennenzulernen, der uns hin- und nicht mehr wegschauen lässt, mit einer Mischung aus Faszination und Ekel. Aber das hat seinen Preis. Dunham hat gesundheitliche Probleme, fast so treu wie ihre Fans sind die Frauenhasser hinter ihr, ebenso wie der frauenverachtende Boulevard, der hinter allem fiktive Rufzeichen setzt, etwa neulich "Lena Dunham kaum wieder zuerkennen: Die Haare sind ab". Rufzeichen. Der nächste Shitstorm ist garantiert.
In gewisser Weise hat sich Hannah Horvath geopfert, für uns. Möge sie in Frieden ruhen.
(Doris Priesching, 24.6.2017)