Unterricht an der Schule für unabhängigen Film: Bruce LaBruce ...

Foto: Fleischmann / Friedl vom Gröller

... und Eindrücke aus einem Workshop mit Peter Zeitlinger, Kameramann von Werner Herzog.

Foto: Fleischmann / Friedl vom Gröller

Wien – Im Seminarraum in der Neubaugasse ist die Neugierde auf den neuen Vortragenden groß. Bruce LaBruce, der dandyhafte Provokateur des experimentellen Kinos, der seit 25 Jahren mit Punkgestus gegen Darstellungsgebote verstößt, ist Star des Abends. Der Kanadier wird eine Einführung in sein Werk geben als Auftakt zu einem Workshop in der Schule für unabhängigen Film. Anlässlich einer Retrospektive beschrieb das Moma dieses einmal als "unheiliges Produkt eines Autorenkinos", das sich mit Witz und Schwulensex-freundlichen Erzählungen "der kapitalistischen Kontrolle von Körper und Geist entzieht".

LaBruce präsentiert sich in der Öffentlichkeit gerne als Kunstfigur. Das kann man auch noch in dem intimen Rahmen spüren, wenn er am Notebook mit tollen Ringen an den Fingern Filmbeispiele sucht – was nicht immer sofort gelingt. Es gibt viel expliziten schwulen Sex an diesem Abend zu sehen, in allen Konstellationen; No Skin Off My Ass, der Titel von LaBruces Langfilmdebüt, lässt sich durchaus programmatisch verstehen. Mit Queercore hat er in der Tradition von John Waters oder Andy Warhol ein Genre mitdefiniert.

Pornografie als Übung

Eigentlich aus dem Punkumfeld kommend, musste LaBruce erfahren, dass selbst in einer so antihierarchischen Bewegung Homophobie stark ausgeprägt war. Von Punk kam er zu Camp, wobei er den Begriff von Susan Sontag politisch aufgeladen hat. Den Studierenden in Wien stellt er eine delikate Aufgabe, für die er als Experte gilt: Sie sollen sich an einem pornografischen Film versuchen, daraus eine künstlerische Strategie ableiten.

Mit der Ausrichtung auf experimentelles Arbeiten mit analogem Film ist die Schule für unabhängigen Film ein Unikum im deutschsprachigen Raum. Gegründet wurde sie 2006 von der Filmemacherin und Fotografin Friedl vom Gröller – als eine Institution, "in die ich selbst gerne gegangen wäre". Seit 2014 leitet sie Philipp Fleischmann, "dem Grundgedanken treu", wie er sagt. Die Studierenden werden für die Dauer von acht Monaten aufgenommen, es gibt 15 bis 20 Filmemacherinnen und Filmemacher, die in Vorträgen oder Workshops unterrichten. Die Liste bisheriger renommierter Gäste ist lang: Tony Conrad, James Benning, Elfi Mikesch, Henry Hills, Jackie Raynal, Peter Tscherkassky etc.

"Ich nenne sie immer die Bastardschule", sagt Fleischmann, weil ihre Legitimation nicht selbstverständlich ist. Die meisten Studierenden arbeiten hier das erste Mal mit analogem Film. "Der eigentliche Prozess ist es, sich selbst zu justieren."

Produktive Momente

Dass die Zeit im Unterschied zu anderen Institutionen so begrenzt ist und beim Unterrichten alle Freiheiten bestünden, sind wichtige Voraussetzungen für den produktiven Moment in der Schule. "Man kommt ja dorthin, weil man etwas will."

"Oft ist es ja so, dass man sich am Anfang etwas anderes als narratives Kino gar nicht vorstellen kann. Erst wenn man länger in dem Bereich arbeitet, wird es selbstverständlich, dass es schon seit Beginn des Kinos auch das Experimentelle gab." Um die Schule als geschützten Raum zu erhalten, in dem man sich möglichst frei seinen Ideen widmen kann, bleiben Verwertungszusammenhänge durchgehend ausgespart.

Ein Fixpunkt der Ausbildung ist auch der wöchentliche Besuch des Avantgardefilmzyklus von Peter Kubelka im Filmmuseum. Fleischmann hat das Feld vom historischen Kanon des Experimentalfilms zuletzt sanft erweitert, etwa um das Queer-Cinema wie jenes von Bruce LaBruce. Im kommenden Schuljahr werden u. a. die heimische Dokumentaristin Ruth Beckermann, der US-Künstler Peter Miller oder die argentinischen Super-8-Filmemacher Claudio Caldini und Pablo Marín unterrichten. Oder die Filmemacherin Kurdwin Ayub, die gar nicht mit dem Material Film arbeitet.

"Strukturelle Unabhängigkeit ist das wichtigste"

Die Umstellung ins Digitale, mit der auch die Schließung des letzten Labors für analogen Film in Wien einherging, hat die Schule stark zu spüren bekommen. Eine Erleichterung erhofft sich Fleischmann durch das bereits von Kulturminister Thomas Drozda (SPÖ) beschlossene Film Preservation Center, das noch dieses Jahr in Laxenburg in Betrieb gehen soll. Der Ort ist für Fleischmann eher Nebensache: "Das Wichtigste ist, dass die strukturelle Unabhängigkeit gewährleistet ist."

Unabhängigkeit ist auch das Label der Schule, das man vielseitig verstehen kann, zuallererst wohl als Abgrenzung zum kommerziellen Kino. Oder als Unabhängigkeit im Geiste wie einer der Studierenden des letzten Jahrgangs, der auf LaBruces Pornofilm-Aufgabe mit einem Liebesfilm reagiert hat – einem besonders romantischen. (Dominik Kamalzadeh, 23.6.2017)