Während die Mailänder Männermodewoche schwächelte (es fehlten wichtige Marken wie Gucci, Etro und Bottega Veneta), waren in Paris mit Labels wie Louis Vuitton, Hermès und Christian Dior die Headliner mit an Bord. Nur das Modehaus Givenchy, wo Clare Waight Keller im Frühjahr Riccardo Tisci ablöste, pausierte.

In Paris sorgten neben den bekannten Namen die "jungen Wilden" für Gesprächsstoff. Ex-Einkäufer Justin O'Shea, der im vergangenen Jahr beim italienischen Herrenschneider Brioni nur für wenige Monate den Kreativchef gab, lotste für die Präsentation seines neuen Labels SSS World Corp ausgesuchte Journalisten und Einkäufer auf die Place Vendôme. Da zeigte er mit "Aloha from Hell" den Macho-Proll-Chic in Hawaiihemd, breiter Gürtelschnalle (mit SSS-Logo) und Leo-Sakko. Nach seinem Ausflug zum Edelschneider Brioni soll seine Mode nun irgendwas "zwischen H&M und Zegna" sein, erklärte O'Shea in Paris.

Noch einer, der alles anders machen will, ist Demna Gvasalia. Seit er mit seinem Label Vetements in Zürich zu Hause ist, scheinbar noch ein wenig mehr. Statt einer Show gab's in Paris nur groß aufgezogene Streetstyle-Bilder, die die aktuelle Kollektion abbildeten, in einem Parkhaus zu sehen – geschossen vom Designer höchstpersönlich. Danach wurde gefeiert: Der Wiener Musiker Yung Hurn mit seinem Projekt Love Hotel trat auf.

Der ehemalige Zegna-Designer Stefano Pilati zeigte eine eigene, geschlechterübergreifende Test-Kollektion auf seinem Instagram-Account.

Konventionelle Shows? Fanden natürlich auch statt – ein Überblick über die wichtigsten Präsentationen.

Zur Eröffnungsshow der Modewoche ging's raus ins Grüne: Balenciaga-Designer Demna Gvasalia schickte seine Männermodels in den Bois de Boulogne – mal mit Mountainbike und ein andermal mit Kindern auf dem Arm. Ihn hätten junge Väter mit ihren Kindern auf Spielplätzen und in Parks zu seiner Kollektion inspiriert, gab er zu Protokoll. Sie knüpfte mit Sneakern, Dad Jeans, Polohemden und überdimensionierte Parkas an die vorherige, von #dadcore-Elementen durchzogene Kollektion an. (Man beachte das Europa-Bekenntnis auf Jeansjacken!) Im Publikum: Schauspieler Kyle MacLachlan, der gerade für die neue "Twin Peaks"-Staffel wirbt.

Foto: Balenciaga

Modeshows sind heute längst nicht mehr nur Modeshows. Bestes Beispiel dafür war die Schau von Louis Vuitton. Musiker Drake präsentierte während der Show mit "Signs" einen Song über das Modelabel. Inspiration des reisefreudigen Designers Kim Jones für die Sommerkollektion 2018: Hawaii-Prints. Motto und Inspiration kommunizierte das Unternehmen schon wenige Tage vor der Show auf Instagram. Und so marschierten die Männer in Hawaiihemden über Radlerhosen und in Trekkingsandalen sowie Multifunktionskleidung über den Laufsteg.

Foto: Louis Vuitton

Schmale Brüste unter zerrissenen Leiberln: Rick Owens veranstaltete auf einem Gerüst um das Palais de Tokyo eine gigantische Freiluft-Modenschau. Seine Models? Gekleidet in überweite Hosen und zerlöcherte Oberteile. Größte Herausforderung? Der Hitze standzuhalten.

Foto: APA/AFP/FRANCOIS GUILLOT

Auch Pierpaolo Piccioli, seit dem Abgang von Mara Grazia Chiuri nurmehr alleiniger Kreativchef bei Valentino, hat sich ganz der Sportlichkeit verschrieben. Statt Anzügen gab's Kapuzenparkas und mit Perlenstickereien besetzte Trainingsanzüge und Kapuzenpullover. Das für diese Saison neu entwickelte Valentino-Logo VLTN zierte Rucksäcke und Hemdkrägen.

Foto: APA/AFP/BERTRAND GUAY

Ausgerechnet in den ehemaligen Büros der linken Pariser Tageszeitung Libération zeigte Dries Van Noten seine Show. Erst liefen unifarbene Trenchcoats, Sakkos, Shorts und lange Hosen in Terracotta, Braun, Oliv- und Militarygrün über den Laufsteg, dann Paisleymuster, Karos, Blumenprints. Auffällig: Der Belgier verbreiterte die Schultern – wenn auch wesentlich dezenter als die jungen Wilden bei Vetements und Co.

Foto: APA/AFP/BERTRAND GUAY

Olivier Rousteing kam nach der Präsentation in einem gestreiften Marine-Cardigan auf den Laufsteg. Wenn man wollte, konnte man das als Ansage verstehen. Der Designer, der sich während des Wahlkampfs für Emmanuel Macron ausgesprochen hatte, hatte seine Kollektion für Balmain nicht nur von seinem eigenen Look (in der Regel bestehend aus schwarzer Lederbikerjacke und passenden Skinnies) inspirieren lassen: Dazu addierte er Smoking-Elemente à la Mugler und ein wenig Safari und tropfenförmige Brillengestelle à la Yves Saint Laurent.

Foto: APA/AFP/BERTRAND GUAY

Bei Hermès transferierte Designerin Veronique Nichanian den Sportjacken-Chic von Gosha Rubchinskiy & Co ins elegante Fach. Sportliche Elemente wurden ergänzt von grafischen Prints (wie den Hermès'schen Kettengliedern und der Initiale "H"), die Farbpalette bewegte sich zwischen Brombeerrot, Flaschengrün, Grau und Beige. Besonderer Hingucker: glänzende Nylonjacken und Trainingshosen.

Foto: APA/AFP/BERTRAND GUAY; ap/ Francois Mori

Lanvin-Designer Lucas Ossendrijver erklärte, er wolle mit seinen Entwürfen dem beschleunigten Lebensalltag Rechnung tragen. Wie er das machte? Er ließ innerhalb einzelner Looks klassische Schneiderei-Elemente auf Military und Workwear treffen: Die Models trugen schräg geknöpfte Cardigans, Shorts, Sweater und Capes mit Tunnelzug – und sportliche Overalls unter klassischen Mänteln.

Foto: Apa/Afp/Alain Jocard

Wie kann der schwarze Anzug für eine junge Konsumentengeneration attraktiv bleiben? Die Antwort von Dior-Homme-Designer Kris Van Assche, mittlerweile in seinen Vierzigern: Er dekonstruierte männliche Dior-Klassiker und umgab sie mit modernen Streetwear-Elementen. Los ging es mit einer Interpretation des schwarzen Bar Jackets, weiter ging es mit ärmellosen Westen und Sakkos mit Bomberjacken-Ärmeln. Dazu knappe Gymnastik-Shorts oder breite Cargo-Hosen. (feld, 26.6.2016)

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Foto: ap/ Francois Mori; APA/AFP/FRANCOIS GUILLOT