Die Ölproduktion der USA steigt stark an.

Wien – Es wird wieder kräftig gebohrt und gepumpt in den USA. Nachdem das Ölpreistief Anfang des Vorjahres für eine zwischenzeitliche Förderdelle gesorgt hat, läuft die US-Produktion wieder auf Hochtouren – und sorgt für den nächsten Rutsch der Notierungen beim schwarzen Gold. Erstmals seit Herbst des Vorjahres ist der Preis für ein Barrel (entspricht knapp 159 Litern) des Nordseeöls Brent wieder unter 45 Dollar gerutscht, seit Jahresbeginn steht ein Minus von etwas mehr als einem Fünftel zu Buche.

Der unerwartet starke Anstieg der Schieferölförderung durch das sogenannte Fracking in den USA hat laut Hannes Loacker, Ölexperte von Raiffeisen Capital Management, selbst Analysten und Branchenkenner überrascht: "Dabei handelt es sich um eine junge Industrie. Es fehlen noch die Erfahrungen, wie schnell und stark die Schieferölproduktion gesteigert werden kann." Bei Fracking wird Schiefergestein mit speziellen Flüssigkeiten aufgesprengt, um die darin enthaltenen Öl- und Gasanteile freizusetzen.

Knapp unter 32-Jahres-Hoch

Mit zuletzt 9,35 Millionen Fass pro Tag lag die US-Förderung nur noch knapp unter ihrem 32-Jahres-Hoch von Mitte 2015 und steht für fast ein Zehntel der globalen Erzeugung von 97 bis 98 Millionen Barrel. Dies untergräbt die Ende des Vorjahres beschlossene Produktionskürzung der Opec-Staaten, die damit den Preis stabilisieren wollten. Dabei sei die Disziplin der Mitgliedstaaten diesmal "vorbildlich", sagt Loacker, die Länder würden ihre Förderkontingente einhalten. Hoffnungen auf weitere Opec-Kürzungen dämpfte zuletzt Irans Ölminister Bijan Namdar Zanganeh, der eine diesbezügliche Einigung als "schwierig" bezeichnete.

"Es handelt sich dabei um einen angebotsgetriebenen Ölpreisrückgang", betont der Raiffeisen-Experte. Die Nachfrage entwickle sich robust, der Preisrutsch sei daher kein Anzeichen einer nachlassenden Dynamik der Weltwirtschaft. Dafür spricht auch, dass die Internationale Energieagentur eine höhere Nachfrage im zweiten Halbjahr prognostiziert.

Übertreibung nach unten

"Beim Ölpreis ist jetzt schon zu viel passiert, mittelfristig handelt es sich um eine Übertreibung", erklärt Loacker, der für die zweite Jahreshälfte wieder ein höheres Preisniveau erwartet. Auch Rohstoffanalyst Axel Herlinghaus von der DZ Bank ortet in dem jüngsten Preisrutsch eine spekulative Komponente: "Negative Nachrichten werden sofort eingepreist, während positive ignoriert werden", sagte er zu der Nachrichtenagentur Bloomberg. "Der Markt will sehen, ab welchem Ölpreis keine zusätzlichen Bohrlöcher in den USA mehr aktiviert werden", ergänzt Analyst Bjarne Schieldrop von der schwedischen Bank SEB.

Dennoch, bei 60 bis 70 Dollar dürfte der Preis für ein Fass Brent auf Sicht von zwei Jahren gedeckelt sein. Denn die US-Produktion hat aus Loackers Sicht ihren Plafond noch nicht erreicht. Da bei Schieferöl die Förderung binnen weniger Wochen hochgefahren werden kann – wesentlich schneller als bei konventionellen Ölprojekten –, würden Preisanstiege stets zu einer umgehenden Ausweitung der US-Produktion führen.

An heimischen Zapfsäulen ist der Ölpreisrückgang wegen des hohen Steueranteils allerdings nur stark abgeschwächt angekommen. Zudem hat im Juni auch der gegenüber dem Dollar schwächere Euro die Auswirkungen des sinkenden Ölpreises gedämpft. Laut dem Treibstoffmonitor des Wirtschaftsministeriums (Stand Montag) hat sich ein Liter Diesel in den vergangenen zwei Monaten bloß um 4,5 Prozent auf 1,067 Euro im Mittel verbilligt, Eurosuper gar nur um 3,2 Prozent auf 1,156 Euro. (Alexander Hahn, 22.6.2017)