Fahren Eisenbahnverkehrsunternehmen um die Wette, wird das Angebot für den Kunden meist besser und für den Besteller meist billiger.

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Wien – Das Vergaberechtspaket, das Regierung und Parlament noch vor der Nationalratswahl auf den Weg bringen wollten, ist auf einem Abstellgleis gelandet. Der Streit in der Koalition wurde am Donnerstagnachmittag vertagt. Eine Sitzung, die den Weg in den Verfassungsausschuss am Montag ebnen sollte, blieb ohne Ergebnis. Das wurde dem STANDARD im SPÖ-Parlamentsklub bestätigt.

Als Hauptgrund gilt die von der ÖVP verlangte Ausschreibungspflicht für Schienenpersonenverkehrsleistungen. Die SPÖ hingegen hält an der Direktvergabe von Zehnjahresverträgen fest, die sie nach dem Vorbild von Tirol und Vorarlberg zwischen Bund und Bundesländern beziehungsweise deren Verkehrsverbünden abschließen will – immer exklusiv für die ÖBB, versteht sich.

Diese Verkehrsdienstverträge (VDV) waren zwar bisher von der im Bundesvergaberecht vorgesehenen Ausschreibungspflicht für öffentliche Beschaffungen prinzipiell nicht erfasst. Die ÖVP hat diesen in eigenen EU-Richtlinien regulierten Sektor, wie berichtet, aber in das Vergaberechtspaket hineinreklamiert – zwar nicht alle Pendlerzüge, aber zumindest überregionale Zugverbindungen, also Schnellzüge von Salzburg bis Bregenz, die Südbahn von Wien nach Graz und Klagenfurt sowie von Linz nach Graz. Diese würde auch ÖBB-Konkurrent Westbahn gern bedienen, was man bei SPÖ und ÖBB aber als "Rosinenpickerei" ablehnt.

"Lex Westbahn"

Eine "Lex Westbahn" sieht man auch bei den Grünen kritisch, die Ausschreibungen von Streckenkonzessionen aber nicht grundsätzlich ablehnen.

Um welches Vergabevolumen geht es? Das lässt sich nur kursorisch ausmachen, denn VDV sind nicht unter Verschluss, und die ÖBB weist in ihren Bilanzen nicht aus, wie viel von der (inklusive Zuschüssen für Schülerfahrten und Sozialtarife) jährlich vom Staat ausgeschütteten einen Milliarde Euro für Verkehrsdienstbestellungen auf Schnellzüge entfällt, wie viel auf Linienbusverkehre oder Pendlerzüge im Nahverkehr.

Schweres Zerwürfnis

Die SPÖ will über eine Ausschreibungspflicht für überregionale Bahnverbindungen nicht einmal reden. Die ÖVP macht die Freigabe der gemeinwirtschaftlich finanzierten Schnellzüge zu einer Bedingung. Sie verweist dabei auf Empfehlungen des Rechnungshofs, der bereits 2010 Ausschreibungen verlangt und scharf kritisiert hat, dass der Bund das Geld pauschal für zehn Jahre exklusiv an die ÖBB vergibt.

Ein Vergleich mit Bayern, wo Schienenpersonenverkehr seit mehr als zehn Jahren im Wettbewerb vergeben wird, klingt vielversprechend: Für das gleiche Geld bekamen Pendler dort pro Jahr 122 Millionen Zugkilometer, während der ÖBB-Personenverkehr nur rund 80 Millionen Zugkilometer liefern musste. "Das sind um 54 Prozent mehr Leistung für das gleiche Geld", rechnet man im ÖVP-Klub vor, der bei dem Thema die Unterstützung durch Neo-Obmann Sebastian Kurz hinter sich weiß. Klarer gehe es nicht, die Bayern lukrierten einen riesigen Kostenvorteil durch Ausschreibungen.

Für den Steuerzahler in Österreich gehe es um 350 Millionen Euro pro Jahr, die auf der Schiene liegen, rechnen Lobbyisten im Auftrag der Schwarzen vor. Das Finanzministerium könnte bei Zehnjahresverträgen durch wettbewerbliche Vergaben 3,5 Milliarden Euro sparen, so ein weiteres Argument.

Fahren günstiger, Infrastruktur teurer

Wie dauerhaft diese Ersparnis ist, bleibt freilich abzuwarten. Wohl ging das Bestellentgelt ohne Infra pro Zugkilometer (exkl. Schienenmaut und Stationsentgelt) in Bayern von 2004 bis 2014 um 38 Prozent zurück – von 3,46 auf 2,20 Euro. Da die Preise für Stationsaufenthalt und Fahrwegkapazität (Trassen) im selben Zeitraum aber von 4,08 auf 5,33 Euro gestiegen sind, blieb das Bestellentgelt pro Zugkilometer mit in Summe 7,53 Euro de facto gleich. Das zeigen vom Staatsministerium für Inneres, Bau und Verkehr 2015 veröffentlichte Zahlen.

Möglicherweise wäre sogar mehr Ersparnis drin. Denn die Betriebskonzepte der Ausschreibungsprojekte gingen teils mit umfangreichen Mehrleistungen einher, die "zu weitaus wirtschaftlicheren Fahrzeugumläufen" führten, wie die Regierung Bayerns auf Anfrage der Grünen darlegte. Allerdings wurde bis 2015 nur die Hälfte (49,5 Prozent) der insgesamt bestellten 121,8 Millionen Zugkilometer im Wettbewerb vergeben.

Ad infinitum dürfte sich die Effizienz allerdings nicht steigern lassen. Das Ministerium warnt vor großen Erwartungen: "Die Tendenz sinkender Bestellentgelte in Ausschreibungsprojekten hält nicht an, sie könnte sich in den kommenden Jahren eventuell sogar wieder umkehren." Dies, weil die Wettbewerbsintensität seit Jahren weit unter dem Durchschnitt des vergangenen Jahrzehnts geblieben sei. Auch sei "die Preiskalkulation der Bieter mittlerweile deutlich konservativer, was sich neben den deutlich höheren Wagnisaufschlägen auch in einer ausgeprägten Zurückhaltung bei den Erlösprognosen äußert". Zudem seien einerseits Banken und Finanzierungsinstitute bei Großinvestitionsvorhaben inzwischen wieder viel vorsichtiger und anderseits Fahrzeugbeschaffungs- und Zulassungsprozesse langwieriger und teurer geworden.

Ausweg Initiativantrag

Ganz verloren gibt man das Vergaberechtspaket bis zur Nationalratswahl im Oktober übrigens noch nicht: Da noch Plenarsitzungen stattfinden werden, könnte eine Einigung über den Initiativantrag doch noch in den Nationalrat kommen. Das wäre wichtig, denn Österreich ist beim Vergaberecht, dessen Kernpunkt die Einführung des Bestbieterprinzips ist, mit dem Lohn- und Sozialdumping insbesondere am Bau zurückgedrängt werden soll, säumig. De EU-Kommission hat bereits Ermahnungen ausgeschickt, droht mit einem Vertragsverletzungsverfahren.

Tauschpfand gibt es: Die ÖVP könnte statt der Verkehrsausschreibungen die Zustimmung zur Ökostromnovelle bekommen. (Luise Ungerboeck, 22.6.2017)