Die New Design University hat rund 500 Studierende. Sie arbeiten auch mit Papier und Holz, denn im digitalen Zeitalter sei Intuition notwendig, sagt Rektor Grüner. "Fühlen hilft bei Entscheidungen."

Foto: NDU

STANDARD: Sie leiteten zuletzt die Hochschule für Künste in Bremen, lehrten bereits an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee. Was interessiert Sie an Österreich?

Grüner: Ich habe dieses Angebot aus St. Pölten bekommen und fand es höchst attraktiv. Zum einen, weil die New Design University eine Privatuniversität ist und durch die Trägerschaft (Wirtschaftskammer NÖ, Anm.) besonders. Man ist deutlich näher an der Wirtschaft dran als etwa staatliche Universitäten. Zum anderen ist die NDU mit ihrem Lehrangebot scharf im Profil. Unsere Studiengänge gibt es woanders so nicht.

STANDARD: Wie innovativ ist Österreich im Vergleich zu Deutschland, was Studienangebote betrifft?

Grüner: Ich überblicke den österreichischen Hochschulmarkt noch nicht vollkommen, denke aber, dass er ebenso innovativ ist wie der deutsche. An unserer Universität etwa gibt es seit kurzem etwa einen Lehrgang zu Food-Design. Da lernt man, Essen und dessen Zubereitung aus dem Blickwinkel des Designers zu betrachten. Man tut also sein Bestes, um am Puls der Zeit zu sein.

STANDARD: Was soll Studierwillige nach St. Pölten ziehen?

Grüner: Wir betrachten Probleme in der Kunst, in der Wissenschaft und in der Praxis aus einer gestalterischen Perspektive heraus. In Projekten bringen wir Design, Technik und Ökonomie zusammen.

STANDARD: Die Universität für angewandte Kunst in Wien startet ein vielversprechendes Studium genau dazu. Wieso sollte man bei Ihnen dafür Geld zahlen?

Grüner: Wir haben ein sehr gutes Betreuungsverhältnis. Eins zu zehn, das ist verglichen mit einer staatlichen Uni traumhaft. Wir haben übrigens auch einen ganz neuen Studiengang: Management by Design. Darin geht es um Design-Thinking im Management.

STANDARD: Diese Methode – zu Lösungen zu kommen, indem man wie Designer denkt – scheint derzeit ein Hype. Was steckt dahinter?

Grüner: Ich stelle diesen Hype auch fest, der mich manchmal auch etwas traurig macht. Design wird zum Allerweltsbegriff – alles wird designt, von der Kleidung bis zum Baby. Das halte ich für problematisch. Wenn man aber Design als eine Arbeitsweise, einen Prozess versteht, um vom Problem zur Lösung zu kommen, halte ich das hingegen für wertvoll. Das ist auch das, was wir Studierenden vermitteln wollen. Es geht darum, zu überlegen: Ist das definierte Problem das tatsächliche? Oder ist es nicht vielleicht ein anderes, und müssen wir nicht schon bei der Problemdefinition nachfragen, worum es eigentlich geht?

STANDARD: Sind Probleme allein kognitiv zu lösen?

Grüner: Universitäten sind ganz stark kognitiv ausgerichtet. Das ist historisch bedingt und auch wichtig. Gerade wenn man über Design spricht, spielt natürlich auch Intuition eine große Rolle. Sie wird etwa durch Angreifen zugänglich. Etwas zu fühlen hilft bei Entscheidungen. Unsere Studierenden arbeiten deshalb auch mit Papier, sie arbeiten mit Holz, mit Metall. Das ist ein ganz intuitiver Ansatz.

STANDARD: Ist das in einer digitalen Welt produktiv?

Grüner: Das ist sogar notwendig. Klar kann man ein Plakat am Rechner gestalten – aber es am Bleisatzdrucker zu drucken, ist sinnlicher. Gerade 17-, 18- und 19-Jährige haben diese Sinnlichkeit nicht mehr erfahren. Die junge Generation glaubt, dass alle Lösungen bei Google zu finden sind. In einem eigenen Studiengang vermitteln wir ihnen, was man heute noch aus Methoden des Handwerks lernen kann. Papier und Holz sind sexy, flapsig formuliert.

STANDARD: Worauf wollen Sie als neuer Rektor Ihren Fokus legen?

Grüner: Mein Anspruch ist, das, was meine Kollegen seit der Gründung der Universität 2004 entwickelt haben, weiterzuentwickeln. Das mittelfristige Ziel: ein breites Angebot an Bachelorstudiengängen und ein stabiles Masterangebot zu schaffen. Außerdem soll es Promotionsprogramme geben.

STANDARD: Sie sind auch Experte für Hochschuldidaktik. Was planen Sie zum Thema E-Learning?

Grüner: Da müssen wir mehr tun, vor allem mehr Angebote schaffen. Unser Fokus bleibt aber schon die persönliche Nähe und der Austausch. Viele unserer Studierenden kommen von der Lehre zu uns und bringen Expertise mit, von der alle profitieren können.

STANDARD: Viele Hochschulen scheinen regelrecht Angst vor Lehrlingen zu haben. Für Sie sind sie demnach eine Zielgruppe?

Grüner: Sogar eine sehr wichtige. Wir wollen die qualifiziertesten Studentinnen und Studenten. Und die Matura allein ist dafür nicht aussagekräftig. Wir stellen durch Aufnahmeprüfungen selbst fest, wer zu uns passt. Absolventen der Berufsbildung sind ein großer Gewinn: Sie gehen ganz anders an Fragen heran. Wir wollen nicht sozial selektieren.

STANDARD: 500 Euro Studiengebühren pro Monat kann sich aber auch nicht jeder leisten.

Grüner: Nein, aber viele werden von ihren Familien unterstützt, haben Nebenjobs oder nehmen einen Bildungskredit auf. Wir vergeben außerdem eigene Teilstipendien als zusätzliche Unterstützung. Und wir wissen: Wo ein Wille, dort ein Weg – von einer "Uni für Reiche" kann also wirklich keine Rede sein. (Lisa Breit, 23.6.2017)