Jeanette Erazo Heufelder, "Der argentinische Krösus. Kleine Wirtschaftsgeschichte der Frankfurter Schule". € 24,70 / 208 Seiten. Berenberg-Verlag, Berlin 2017

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Wer war nur dieser Mann, den der deutsche Künstler George Grosz im Jahr 1926 so präzis porträtierte? Wer war dieser große, schlanke Mann in Anzug und Krawatte, der so konzentriert, dabei lässig Unterlagen mit dem Bleistift in der Hand liest? Nun konterfeite der Berliner Grosz ja viele. Doch dieser junge Mann namens Felix Weil war eine Ausnahme. Weil er millionenschwer war. Und überzeugter Marxist. Und ganz nebenbei seit 1920/21 ein regelmäßiger Unterstützer des Malers. Wie anderer auch. Vor allem eines Instituts in Frankfurt am Main, das ohne ihn gar nicht möglich gewesen wäre.

Es war das Institut für Sozialforschung, dessen bekannteste Vertreter Max Horkheimer, Theodor W. Adorno, später Jürgen Habermas und Ludwig von Friedeburg nach 1950 die intellektuelle Debatte in Westeuropa ganz nachhaltig prägten, 1968 die Studentenrevolte entscheidend inspirierten, obschon sie deren Gestus ebenso entschieden ablehnten.

Ohne Felix Weil, 1898 in Argentinien geboren und 1975 im US-Bundesstaat Delaware verstorben, wäre dies niemals möglich gewesen. Und doch ist Weil heute kaum mehr als ein Gerücht. Die deutsche Dokumentarfilmerin Jeanette Heufelder widmet ihm nun eine erste biografische Studie, die sprachlich etwas matt ist, inhaltlich dafür umso aufschlussreicher.

Sich auf unveröffentlichte autobiografische Aufzeichnungen stützend, blättert sie Weils Familiengeschichte auf, zeichnet ihn als höchst neugierigen Studenten 1919 in Tübingen und Frankfurt, der den Marxismus entdeckte, dann das der Universität angeschlossene, aber autonome Forschungsinstitut gründete, auch den linken Malik-Verlag unterstützte, nach 1933 die exilierten Forscher über Wasser hielt, in den Vierzigerjahren den Großteil seines großen Vermögens dem Institut überließ, dafür umgekehrt intellektuell niemals von Horkheimer & Cie. für voll genommen wurde, auch weil er stets die falschen Frauen ehelichte.

Seit längerem bekannt ist, wie intrigant Adorno und Horkheimer, beide seit den 1950er-Jahren Ordinarien an der Frankfurter Universität, waren. So verhinderten sie etwa die Berufung des konservativen Historikers Golo Mann. Aber wie stark sie und Friedrich Pollock Rolle die Bedeutung Felix Weils späterhin in Interviews herabsetzten und ihn zur Fußnote degradierten, war schon mehr als herablassend, vielmehr infam.

Ebenso bitter war, dass Weil noch mit über 70 als Dozent für die US Army auf der Ramstein Air Base arbeiten musste, um zu überleben. Währenddessen hatten Horkheimer und Pollock mit üppigen Pensionen ins schöne Tessin retiriert. Nun ist es schwierig, eine intellektuelle Biografie über einen Mann zu schreiben, der kein Intellektueller war. Um so bedauerlicher ist es, dass die Autorin so wenig aus dem Briefwechsel zwischen Weil und George Grosz, zum größeren Teil veröffentlicht, zum anderen in Berlin und an der Harvard University archiviert, zitiert. Denn so wäre Felix Weil um einiges lebendiger geworden, als es auf den Seiten dieses Buches der Fall ist. (Alexander Kluy, Album, 27.6.2017)