Ein Asset, das kaum ein Büro hat: Im geplanten Büroturm Twentytwo in London soll es im Inneren eine Kletterwand mit hervorragender Aussicht geben – als Motivation für die Mitarbeiter, mehr Sport zu betreiben, gesünder zu leben und ihre Arbeit besser zu machen.

Foto: twentytwo

Meditationsbereiche, Lebensmittelmarkt, Kunstgalerie, Spa und Kletterwand am Fenster in 125 Metern Höhe – das in London geplante Bürohochhaus Twentytwo soll alle Stückerln spielen. Für 12.000 Mitarbeiter soll es dort Arbeitsplätze geben, vermietet an verschiedene Firmen. "Twentytwo will Möglichkeiten bieten. Die Möglichkeiten, gesünder zu essen, sich mehr zu bewegen, mit anderen zu sprechen und Erfahrungen zu teilen", heißt es in einer Aussendung. Das höhere Wohlbefinden, Engagement und die gesteigerte Produktivität sollen sich positiv auf die Unternehmen und ihren Output auswirken.

Ein ähnliches Konzept – wenn auch in weit kleinerem Rahmen – verfolgt der Orbi Tower in Wien-Landstraße. Auch hier will man Möglichkeiten bieten – auch die Möglichkeit, sich mehr zu bewegen. Dafür wird es im 28 Stockwerke hohen Büroturm Pulsmesser in den Stiegenhäusern geben: Sie sollen die Mitarbeiter zum Stiegensteigen und somit zu mehr Bewegung animieren. Eröffnet werden soll das Gebäude noch in diesem Sommer.

Angebote zur Mitarbeiterbindung

"Büro plus" könnte man diese Entwicklung nennen. Ein Bürogebäude ist heute weit mehr als eine Ansammlung von Schreibtischen. "Es gibt Gymnastikangebote, Massageräume, Yogakurse und Pilates. Das sind Methoden zur Mitarbeiterbindung und zur Gewinnung neuer Arbeitskräfte", sagt Herbert Zitter, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Moocon. Vor allem in Unternehmen, deren Angestellte sehr viel arbeiten, würden sich Möglichkeiten zum Workout zwischendurch auszahlen.

Wo gearbeitet wird, wird auch geschwitzt. Dann braucht es eine Möglichkeit, sich frischzumachen. "Duschen sind das Mindeste", sagt Andreas Gnesda vom gleichnamigen Beratungsunternehmen. Ob es solche Angebote in einem Unternehmen gibt, habe viel mit Wertschätzung den Mitarbeitern gegenüber zu tun, sagt der Berater. "Eine Duschmöglichkeit hat sich wirklich jeder verdient, gerade bei den aktuellen Temperaturen." Ähnlich sieht das Zitter: "Duschen braucht es – allein schon, weil immer mehr Menschen mit dem Fahrrad in die Arbeit fahren."

Orte für Kommunikation

Wohl essenziellster Faktor für ein funktionierendes Unternehmen ist die Kommunikation. "Die Arbeitswelt ist heute auch eine Community. Menschliche Kontakte, Austausch und Gemeinschaft sind tiefe Bedürfnisse der Mitarbeiter, vor allem in einer Zeit, in der es immer mehr Single-Haushalte gibt", sagt Gnesda. Deshalb brauche es die richtigen Rahmenbedingungen und Orte, an denen diese Kommunikation stattfinden könne. Die Kantine sei daher ein besonders wichtiges Asset in einem modernen Büro, bestätigt Zitter. "Es muss für unterschiedliche Gruppen und Formen der Kommunikation Angebote und gute Voraussetzungen geben. Dazu zählt auch, ob der Kaffee in der Teeküche kostenlos ist, ob er gut schmeckt und wie das Essen in der Cafeteria ist."

Umfangreiche Angebote, wie sie im Büroturm Twentytwo in London geplant sind, können jedoch, so die Experten, nur schwer von einzelnen Unternehmen bewerkstelligt werden. Campusartige Bürostandorte sind eine Idee, der sich vor allem die Developer dieser Gebäude immer öfter annehmen, sagt Zitter. "Hier wird es wichtiger, dass sich Supermärkte für die täglichen Einkäufe auf dem Areal befinden oder auch Kaffeehäuser, in denen man sich auch tagsüber mal mit einem Freund treffen kann." Solche Angebote könne man sich aber nur leisten, wenn man eine gewisse Masse bediene. Eine solche ist mit 12.000 Arbeitsplätzen im Londoner Twentytwo in jedem Fall gegeben. Gnesda ist begeistert von dem Projekt und glaubt: "Selbstverständlich sind solche Ideen auch für Österreich denkbar, es ist viel Potenzial da." Bisher sei das Angebot diesbezüglich allerdings noch verhaltener, sagt Zitter.

Freiheit und Verantwortung

Das habe vor allem mit der österreichischen Arbeits- und Führungskultur zu tun, attestiert Gnesda. In der neuen Welt des Arbeitens, in der es allerhand Angebote für Sport und Verpflegung gibt und in der sich die Menschen aussuchen können, wo, wie und wann sie arbeiten, spielen die Themen Freiheit und Verantwortung eine große Rolle. "Hierzulande können allerdings viele nicht mit dieser Freiheit umgehen, weil sie sich schwer damit tun, die dazugehörige Verantwortung zu übernehmen", sagt Gnesda. Denn klar sei, dass – auch wenn Unternehmen ihren Mitarbeitern viele Angebote zur Verfügung stellen – dennoch die Performance eine ganz wichtige Rolle spiele.

Und außerdem, so die Experten, stehe hinter dem Wunsch nach Veränderung im Unternehmen oft eine falsche Motivation. "Einfach nur ein Asset zu installieren, weil es gerade 'in' ist, ist wenig sinnvoll", sagt Zitter. Hinter einer solchen Veränderung müsse eine dementsprechende Führungskultur stehen, "sie muss solche Zusatzangebote zulassen". Das Problem kennt auch Gnesda: "Durch die Welt im Äußeren, also die Infrastruktur, soll die Welt im Inneren der Menschen verändert werden." Die neuesten und besten Fitnessgeräte seien aber nicht automatisch auch ein Garant für sportliche Mitarbeiter, die auch gleichzeitig noch topmotiviert sind, ihre Arbeit zu tun, so der Berater. "Man muss den Menschen Lust auf Sport und Lust auf ihre Arbeit machen. Aus Erfahrung weiß ich, dass Menschen in ihrem Job etwas bewirken und einen Beitrag leisten wollen. Sie wollen eine Berufung darin sehen."

Kleines Spiel, große Wirkung

Um dieses Ziel für die Mitarbeiter zu erreichen, sind Unternehmenskultur und die Art der Führung entscheidend. "Es sind einfache Dinge, die Unternehmen tun können, die überhaupt nicht mit großen Anschaffungen verbunden sein müssen", sagt Zitter. Ein Zeichen zu setzen, dass man sich um die Mitarbeiter bemühe, reiche schon aus. "Das kann ein Obstkorb sein oder ein gemeinsames regelmäßiges Frühstück mit den Führungskräften." Wesentlich dabei sei, dass es nicht darum gehe, dass eine Maßnahme nur eine tolle Wirkung nach außen habe, sondern dass sie ein unmittelbares Zeichen an die Mitarbeiter sei. "Man muss zeigen, dass man sich konsequent um sie kümmert und bemüht."

Eine kleine Sache, so bestätigen beide Experten ganz unabhängig voneinander, habe in Unternehmen eine besonders große Wirkung: Tischfußball. "Wuzler sind immer ein ganz großer Hit, egal in welchem Unternehmen sie installiert werden", sagt Zitter. Und Gnesda erzählt: "Wenn ich den Chef eines Unternehmens besuche, nach 40 Minuten immer noch dieselben Mitarbeiter Tischfußball spielen sehe und ich den Chef dann frage, ob das gut oder schlecht ist, erkenne ich an seiner Antwort, ob er seinen Mitarbeitern aus tiefster Überzeugung alle Freiheiten lässt." Am Ende zählt nämlich auch bei begeisterten Kickern die Arbeitsleistung. Und die lässt sich – mit dem richtigen Gesprächsthema – durchaus auch bei einer Runde Tischfußball steigern. (Bernadette Redl, 25.6.2017)