Wien – Sozialminister und Listenerster der SPÖ Oberösterreich bei der Nationalratswahl, Alois Stöger, pocht auf die Erbschaftssteuer zur mittelfristigen Sicherstellung des Pflegesystems. Neben der Abschaffung des Pflegeregresses sollen damit auch 50 Prozent der Kostenbeiträge für mobile Pflege übernommen und das Pflegegeld für schwerst behinderte Kinder angehoben werden.

Es sei die Aufgabe der Politik, Pflege in bester Qualität zu gewährleisten und das System an die künftigen Herausforderungen anzupassen. Stöger will in der Pressekonferenz nach dem Pflegegipfel am Freitag daher über kurzfristige und längerfristige Maßnahmen sprechen. Kurzfristig gelte es, Missstände lückenlos zu beheben. Mittelfristig schlägt die SPÖ ja vor, die Erbschaftssteuer auf Erbschaften über 1Millionen Euro – dies soll 500Millionen Euro jährlich bringen – in die Pflege zu stecken.

Konkret sollen damit der Pflegeregress abgeschafft und 50 Prozent der Kostenbeiträge für die mobile Pflege übernommen werden. Weiters wird vorgeschlagen, dass das Pflegegeld für schwerst behinderte Kinder um 720 Euro pro Jahr angehoben wird. Bis 2022 soll außerdem 1 Milliarden Euro in Pflegeberufe und damit die Qualität investiert werden.

Länder wollen von Volksanwaltschaft Rohberichte

Die Bundesländer weisen den Vorwurf der Volksanwaltschaft, man habe im Zusammenhang mit dem Aufdecken von Pflegemissständen Druck ausgeübt, zurück. Sie fordern hingegen, dass die Volksanwaltschaft ähnlich wie der Rechnungshof Rohberichte zur Stellungnahme übermittelt. Im Sozialministerium fand am Freitag auf Einladung von Ressortchef Alois Stöger (SPÖ) ein Pflegegipfel statt.

Beim Gipfel haben sich der Minister und die Bundesländervertreter über ihre Maßnahmen ausgetauscht, wie Missstände bei der Pflege verhindert werden. In Tirol etwa, das Bundesland hat derzeit den LH-Vorsitz inne, werde eine Tarifreform für Alten- und Pflegeheime vorbereitet und gebe es eine Gehaltsanpassung sowohl bei mobilen Diensten als auch in Heimen, erklärte der Tiroler Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (ÖVP) im Anschluss gegenüber Journalisten.

Jedes Bundesland habe ein derartiges Maßnahmenbündel, um Missstände zu beseitigen, betonte Tilg. Dass die Volksanwaltschaft über Druck der Länder klagte, habe er nur medial vernommen. Grundsätzlich sollten aber, wenn Missstände aufgezeigt werden, zuerst die Länder informiert werden, ähnlich wie es beim Rechnungshof der Fall ist. Damit sollten die Bundesländer eine Möglichkeit zur Stellungnahme haben, so der Landesrat.

Finanzierung bis 2021 geregelt

Die Finanzierung der Pflege sei bis 2021 geregelt und der Pflegefonds ein gutes Instrument, meinte Tilg weiter. Über künftige Modelle könne man diskutieren, die von der SPÖ gewünschte Erbschaftssteuer aber sieht der ÖVP-Politiker nicht als richtigen Schritt.

Die niederösterreichische Landesrätin Barbara Schwarz (ÖVP) zeigte sich zumindest offen dafür, über alle Vorschläge zur Finanzierung zu diskutieren. Sie sprach sich weiters dafür aus, dass durch einzelne Missstände nicht das ganze System in Misskredit gezogen wird. Offen ist sie auch für einheitliche Qualitätskriterien. Schwarz betonte, dass auf die Volksanwaltschaft kein Druck ausgeübt worden sei. "Wir haben lediglich gebeten, dass ein Rohbericht zur Verfügung gestellt wird", damit man auf Kritik reagieren könne. Sie verwies darauf, dass zwischen dem Bekanntwerden von Missständen und der Berichtsvorlage ein Jahr vergehen kann – eine Zeitspanne, in der Länder bereits Missstände beseitigen. Auch die Wiener Stadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) fordert die Möglichkeit einer Stellungnahme.

Minister Stöger bekräftigte die SPÖ-Forderung nach Abschaffung des Pflegeregresses und pochte auf die langfristige Sicherung der Pflegefinanzierung. "Die Qualität der Pflege darf nicht von der Geldtasche abhängen." Für die Pflege würden Einkommen und Vermögen und "im schlimmsten Fall ein ganzes Lebenswerk verloren gehen", erklärte er. "Gleichzeitig gibt es andere, denen ein riesiges Vermögen in die Hände fällt und die zahlen in Österreich keinen Cent Steuer dafür. Das ist nicht gerecht." Von jenen, die eine große Erbschaft machen, soll daher Geld eingehoben werden.

Vier Punkte für Erbschaftssteuer

Stöger führte die vier Punkte an, die mittelfristig über die Einhebung einer Erbschaftssteuer auf Erbschaften über 1 Million Euro finanziert werden sollen. Für die Abschaffung des Pflegeregresses werden im ersten Jahr 100 Millionen Euro, ab dem zweiten Jahr etwa 200 Millionen Euro kalkuliert. Die Übernahme von 50 Prozent der Kostenbeiträge für die mobile Pflege kommt laut Stögers Büro auf etwa 70 Millionen Euro Jahr und das höhere Pflegegeld für schwer behinderte Kinder auf 30 Millionen Euro pro Jahr. Bis 2022 soll 1 Milliarde Euro in die Pflegeberufe investiert werden.

Angesichts der demografischen Entwicklung müsse man sich über die weitere finanzielle Absicherung des Systems Gedanken machen. "Die Finanzierung ist bis 2021 gesichert. Ich will die Weichen für die langfristige Absicherung stellen. Wir werden mehr Geld brauchen, es führt kein Weg daran vorbei." Eine weitere Belastung des Faktors Arbeit lehnt er dazu ab.

Der Ressortchef schlägt daher eine einheitliche Finanzierung aus einem gemeinsamen Topf aus Mitteln des Bundes, der Länder und der Erbschaftssteuer vor. Im Rahmen einer ausgewogenen Kostenaufteilung zwischen Bund und Ländern soll der Bund eine zusätzliche Ausfallshaftung für die Pflege der Menschen übernehmen. Die Vereinfachung bringe weniger Bürokratie und damit mehr Mittel für die Betreuung. Stöger sprach sich auch für die Überarbeitung von Qualitäts- und Mindeststandards aus. Außerdem sollen mit jedem Land Ziele gemeinsam festgelegt werden – "um den regionalen Besonderheiten gerecht zu werden".

Stöger zeigte sich davon überzeugt, dass es zur Abschaffung des Pflegeregresses auch in der ÖVP viele gebe, die Interesse für eine Änderung haben, wenn es eine entsprechende Gegenfinanzierung gibt.

Den Bericht der Volksanwaltschaft, der kürzlich Missstände in der Pflege publik gemacht hat, sieht der Ressortchef als "Beitrag, die Pflege noch besser zu machen". Es werde sehr gut gepflegt, in manchen Bereichen brauche es aber Veränderungen. Die Kritik werde jedenfalls sehr ernst genommen. (APA, 23.6.2017)