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"Mussolini-Befreier" Skorzeny, 1943 im Berliner Sportpalast anlässlich der Verleihung des Ritterkreuzes durch Hitler.

Foto: Picturedesk / Ullstein Bild

Der Mann hatte alles, was einen erstklassigen Hollywoodschurken ausmacht: ein durch tiefe Schmisse vernarbtes Gesicht; Unerschrockenheit; eine treu ergebene Truppe militärischer Desperados; und das Talent, Geschichten fesselnd zu erzählen, vor allem in eigener Sache: Otto Skorzeny, Wiener, Führer einer SS-Sondereinheit, war ein Nazi-Weltstar – und blieb es noch lange danach.

Skorzenys Ruhm begründete sich auf die angeblich tollkühne Befreiung des inhaftierten "Duce", auf Adolf Hitlers Befehl hin. Mit einer kleinen Gruppe unerschrockener Fallschirmspringer habe er das Zimmer 201 des Hotels Campo Imperatore auf dem Plateau des Gran Sasso nordöstlich von Rom gestürmt und Benito Mussolini befreit, in das wartende Flugzeug gesetzt und zum "Führer" eskortiert.

Das schrieb Skorzeny in seinem 1950 erschienenen Memoirenband "Geheimkommando Skorzeny", der in der Folge insgesamt dreimal aufgelegt wurde. Und das findet sich auch in den drei englischsprachigen Biografien wieder, die es bis heute gibt – und die alle Skorzenys Selbstdarstellung "weitgehend unkritisch übernahmen", sagt der Wiener Historiker Thomas Riegler.

Eine Legende war geboren: Der britische Exgeheimdienstagent und James-Bond-Erfinder Ian Fleming verewigte den österreichischen Nazi im Superschurken Hugo Drax ("Moonraker", 1955), und auch in der Figur des Auric Goldfinger (1964) finden sich Anspielungen auf Skorzeny.

Selbststilisierung zu einem politisch neutralen Soldaten

Bis heute zollen ihm hohe US-Militärs Respekt: So diente die Mussolini-"Befreiung" dem späteren Admiral William H. McRaven in seiner Abschlussarbeit zur Untermauerung seiner Theorie der erfolgreichen Kriegsführung mit Spezialstreitkräften – eine Theorie, die McRaven später erfolgreich in die Praxis umsetzte, etwa bei der "Operation Neptune's Spear" 2011, die zur Tötung von Osama bin Laden führte.

Die hohe Meinung der ehemals Alliierten über Skorzeny begründete sich vor allem auf dessen Selbststilisierung zu einem politisch neutralen Soldaten, der eine neue Form unkonventioneller Kriegsführung initiiert habe: Luftlandungen, Sabotage- oder Stay-behind-Aktionen in feindlichen Uniformen. Historiker Riegler meint dagegen, dass Skorzeny auch seine Treue zum NS-Regime weitergebracht habe.

Riegler hat für die August-Ausgabe des "Journal for Intelligence, Propaganda and Security Studies" (JIPSS) eine erste quellengestützte, biografische Annäherung an die Person Skorzeny vorgenommen – und hinter all dem bösen Glamour einen recht gewöhnlichen Narziss mit Talent zur Selbstvermarktung entdeckt. Riegler zum STANDARD: "Die Legende hat wenig mit der realen Person Skorzeny zu tun."

"Militärischer Amateur"

Tatsächlich sei der Österreicher ein "militärischer Amateur" gewesen, der sich nur an bereits erfolgreich durchgeführten Aktionen des "Feindes" orientiert habe. Vor allem die "Befreiung" Mussolinis sei wenig heroisch verlaufen. Der italienischen Übergangsregierung sei nämlich aus politischen Gründen gar nicht unrecht gewesen, dass Mussolini weg war. Daher gab es auch kaum Gegenwehr bei Skorzenys dreistem Eindringen.

Trotzdem schafften es Skorzenys keineswegs durchtrainierte SS-Männer nur mit Mühe, eine 1,5 Meter hohe Terrassenmauer zu erklimmen. Ein ehemaliger Wehrmachtsoffizier berichtete zudem, Skorzeny habe sich schlicht vorgedrängt, er hätte eigentlich nur eine Beobachterposition einnehmen sollen.

An der Legende schrieb auch die DDR-Propaganda nach dem Krieg eifrig mit: Der Wiener soll demnach maßgeblich an Fluchthilfeorganisationen für ehemalige Nazis beteiligt gewesen sein – was auch Simon Wiesenthal mutmaßte, allerdings nie beweisen konnte. Skorzeny übersiedelte schließlich ins faschistische Spanien und versuchte, sich sowohl der jungen Bundesrepublik Deutschland als auch der CIA als "Geheimwaffe" im Kalten Krieg anzudienen.

Geheimdienstavancen

Viele ehemalige "Kameraden", hatten von Skorzeny freilich keine gute Meinung mehr. Als er im Herbst 1951 versuchte, an die "Organisation Gehlen", den Vorläufer des deutschen Nachrichtendienstes unter US-Kontrolle, anzudocken, beurteilte ihn sein ehemaliger Offizierskamerad Oberst Georg Buntrock als einen "ausgeprägten Typ eines Hochstaplers, von einer persönlichen Eitelkeit, die nicht zu übertreffen ist".

Skorzenys Geheimdienstavancen wurden von den USA abschlägig beschieden. Stattdessen wurde er reich im Stahlhandel und auch internationaler Vertreter der Voest sowie Immobilienspekulant. Er machte Waffengeschäfte im Kongo, in Nordafrika und im Nahen Osten. Sogar der Mossad bediente sich zeitweilig Skorzenys Wissen um die Vorgänge in Ägypten unter Machthaber Nasser. Er blieb dabei stets gut vernetzt mit ehemaligen NS-Größen und dem internationalen Neofaschismus.

Vor Gericht musste sich der 1975 Verstorbene, trotz halbherziger Anstrengungen der österreichischen Justiz, nie verantworten. Bedauert hat er wohl wenig in seinem Leben. In einem seiner letzten Interviews sagte Skorzeny: "Ich kann Ihnen sagen, dass ich dasselbe genauso heute noch einmal tun würde." (Petra Stuiber, 24.6.2017)