"Handwerk, das sitzt" von jailshop.at: "Schnitzelausstecher Österreich" …

Foto: jailshop.at/Justizanstalt Salzburg

oder Dekorelemente wie "Weinrebe" …

Foto: jailshop.at/Justizanstalt Salzburg

… und "Metallvogel".

Foto: jailshop.at/Justizanstalt Salzburg

Wien – "Originelle Ausstechform, um Ihren Gästen ein Schnitzel in den Konturen Österreichs zu servieren", steht in der Produktbeschreibung. Die Artikelseite wirkt nicht anders als die üblicher Onlineshops, doch der 79,90 Euro teure Nirosta-Schnitzelausstecher wird nicht in einem Betrieb mit offenen Werkstoren, mit Gewerkschaften, Tariflöhnen und Sozialleistungen hergestellt. Sondern in der auf Sexualstraftäter spezialisierten Haftanstalt Sonnberg in Niederösterreich.

Das Kochutensil und vorerst 42 weitere Unikate, die in sieben österreichischen Vollzugsanstalten gefertigt werden, können ab sofort auf jailshop.at bestellt werden. Die Initiative geht auf Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) persönlich zurück. Es sei viel zu wenig bekannt, "welche hervorragenden handwerklichen Produkte die Justizanstalten herstellen, aber das ändert sich jetzt – mit Jailshop", sagt Brandstetter in einem Promovideo und erinnert dabei an einen Teleshopping-Moderator.

Jailshop.at

"Handwerk, das sitzt", lautet der zweideutige Slogan des von der Justizanstalt Salzburg betriebenen Portals, und auch das Logo ist nicht frei von Anspielungen: Es zeigt drei vertikale Striche, wie sie Häftlinge vermeintlich in Mauern ritzen, um die Tage zu zählen.

Unter dem Titel "Gutes Tun" klärt Brandstetter potenzielle Kunden auf, dass sie "mit Erwerb dieser Produkte die Reintegration von Straftätern unterstützen". Der strukturierte Tagesaublauf durch eine Beschäftigung und das Erlernen von Fähigkeiten, die auch nach der Haft von Nutzen sein werden, helfe den Insassen, sagt der Justizminister.

Ein bis 1,50 Euro pro Stunde

Ganz frei von Eigennutz ist das Projekt aber auch für die öffentliche Hand nicht. Denn die Entschädigung für die Arbeitsleistung, zu der die aktuell rund 9.000 Häftlinge in Österreich grundsätzlich verpflichtet sind, liegt bei 25 Prozent der Indexlöhne, also 1,46 bis 2,19 Euro pro Stunde. Die restlichen 75 Prozent behält der Staat als "Beitrag zu den Vollzugskosten" ein, ebenso wie die Gewinnmargen durch den Verkauf zum Endpreis im Onlineshop.

Den 6.000 Insassen, die auch wirklich in den Gefängniswerkstätten tätig sind, bleiben nach Abzug des Dienstnehmeranteils zur Arbeitslosenversicherung "pro Stunde zwischen circa einem Euro und 1,50 Euro", wie es auf STANDARD-Nachfrage aus dem Justizministerium (BMJ) heißt. Die Hälfte davon wird dem Eigengeldkonto gutgeschrieben, die andere Hälfte wird in Form einer Rücklage für die Zeit nach der Haftentlassung angespart.

Stifte nach Farben sortieren

Die Einrichtung des Webshops kann als Antwort auf die lauter werdenden Forderungen des Finanzministeriums an die Justiz gelesen werden, den "Ausbau des Arbeitswesens" zu intensivieren. Die steigenden Ausgaben für den laufenden Betrieb des Strafvollzugs wird jailshop.at allerdings kaum ausgleichen können. Allein in den zehn Jahren seit 2007 wuchsen die jährlichen Aufwände für den Vollzug von 342 auf 489 Millionen Euro – bei annähernd gleich hohem Insassenstand. Den Anstieg führt Brandstetters Sprecherin Stephanie Schlager neben Mehrkosten bei Personal und Gesundheitsversorgung auf gesetzlich vorgeschriebene Neubau- und Sanierungsprojekte zurück.

Um die Profite aus der Gefangenenarbeit weiter zu erhöhen, wird die Justiz ihre Angebote wohl noch stärker an die Privatwirtschaft herantragen müssen. Auch dort wird man zunehmend auf die günstigen Produktionsmöglichkeiten aufmerksam. Im März schloss etwa Gea einen Vertrag über die Produktion seiner Waldviertler Schuhe in der Justizanstalt Stein ab.

Wie eine Recherche des Magazins "Datum" ergab, lassen außerdem nicht nur der Auspuffhersteller Remus oder die Brau Union ganz oder zu Teilen in heimischen Gefängnissen fertigen, sondern Insassen drucken auch Flugzettel für Parteien wie FPÖ, ÖVP und SPÖ sowie Unternehmen wie Spar, Wein & Co oder Burton. Sie reparieren die Selbstbedienungsständer der Gratis-Illustrierten "Österreich" und selbst Buntstifte von Jolly und Kleiderhaken von C&A werden in Österreichs Häfn sortiert. (Michael Matzenberger, 23.6.2017)