Klagen und Anklagen auf Slowenisch: "Thyestes".

Foto: Barbara Palffy

Petronell/Carnuntum – Piero Bordin hat das nötige Faible und tut es seit vielen Jahren immer wieder: ein internationales Theaterfest programmieren. Zum Auftakt des Welt-Theater-Festivals Art Carnuntum war Senecas Bearbeitung des Thyestes-Stoffes als Koproduktion von Miniteater Ljubljana, Novo kazaliste Zagreb und Zadar snova zu Gast im Amphitheater Petronell-Carnuntum. Emphatisch ist die Inszenierung von Ivica Buljan, der 2016 mit dem New Yorker Off-Broadway-Theater La Mama hier schon zu Gast war. Damals wurde Pylades gegeben, eine Orgie üppiger Kostüme und der Nacktheit. Beide waren heuer etwas abgespeckt; ohne viele Requisiten konzentrierte sich alles auf das sehr körperliche Spiel. Das begann mit der unschuldigen, geschwisterlichen Rauferei zweier Kinder. Bedauernswerte!

Denn aus dem Geschlecht der Tantaliden zu stammen ist qua Geburt ein Nachteil. Namensgeber Tantalos, von den Göttern verflucht, da er von ihrem Nektar gestohlen und den Olympischen schließlich, als Prüfstein ihrer Allwissenheit, seinen Sohn Pelops als Mahl serviert hatte, ist der unheilige Begründer der Linie, welcher Thyestes entstammt.

Diesen Antihelden der griechischen Sagenwelt trifft eine schwer an diese Schuld erinnernde Strafe seines Bruders Atreus, als er jenem nicht nur die Frau nimmt, sondern auch den Königsthron. Jupiter stellt sich zwar an dessen Seite, verschafft jenem wieder Würde und Macht. Um die Rache kümmert sich Atreus aber selbst: Zum Schein vergibt er dem Bruder, eigentlich aber bekommt Thyestes mit dem Versöhnungsmahl seine Kinder als Braten vorgesetzt.

So weit der einstige göttliche Fluch. Sippenhaftung ist Usus. Das ist denn auch die zentrale Szene, in der die Aufführung nach fast einer Stunde kulminiert: Der in königlich blauem Gewand auf dem Boden Gelagerte verzehrt rülpsend und schmatzend und unwissentlich sein eigen Fleisch. Was für ein Brechen dem folgt! Der dazu gereichte Wein, der ihm nicht und nicht zwischen den Lippen hindurch wollte – sein eigen Blut? Was für ein Würgen und Graus! Mit wenig mehr als einem Häufchen Sand und einem Baumstumpf ist die Produktion nach Carnuntum gekommen. Fellkleider, Kothurne und eine genitalfreie Hose noch. Auf Slowenisch donnerten die Anklagen und Klagen, nicht nur über die Bühne tobten die sieben Darsteller, auch über die Hügel rund um das Spielzelt. E-Gitarre und Geige brachen die antike Anmutung musikalisch, schmälerten ihre glaubhafte Inbrunst aber keinen Deut. (Michael Wurmitzer, 25.6.2017)