Liebestolle Fliege: Georgij Makazaria in "Orpheus in der Unterwelt", jener schrillen Operette von Jacques Offenbach, die in Baden die Sommerzeit eröffnet hat.

Foto: Gregor Nesvadba

Baden bei Wien – Alle Jahre wieder freut man sich auf die erste Produktion der Bühne Baden in der Sommerarena, die immer ein heiter-entspanntes Präludium eines langen Festspielsommers darstellt. In Baden manifestiert sich architektonische Vergangenheit in beschaulicher Weise, und bei der Premiere von Orpheus in der Unterwelt darf man zusätzlich dazu historische Prominenzen bestaunen: Die Damen Tobisch, Löwinger und Sarata schmücken ihre Logen in souveräner Weise.

Für die Inszenierung von Offenbachs Operette hat Intendant Michael Lakner Ulrike Beimpold nach Baden geholt, die für ihn schon beim Lehár-Festival Regie führte. Und Beimpold wiederum holte die muntere Mythentravestie der Herren Crémieux & Halévy in die Gegenwart. Und so stapelt sich bei der frustrierten Hausfrau Eurydike das schmutzige Geschirr, und beim Ehemann Orpheus, dem flamboyanten Geigenlehrer, kreischen die Schülerinnen wie hysterische Groupies.

Ilia Staple ist eine kecke Eurydike, Alexandru Badea zeichnet den Musikstar schillernd und in bipolaren Extremen: Mal deklamiert er wie in Zeitlupe, dann wirbelt er herum. Schablonenhaft ist das nicht, aber trotzdem manchmal etwas mühsam. Überraschen wollte Beimpold auch mit Georgij Makazaria als Jupiter: Der Russkaja-Sänger kombiniert als Göttervater rustikalen Schreigesang mit der Körpersprache eines Wrestlers und macht speziell als liebestolle Fliege eine gute Figur.

Vom schön klingenden Gustavo Quaresma (Aristaeus/Pluto) und der allzeit bezaubernden Elisabeth Flechl (als Juno) abgesehen, gelingt Franz Suhrada als Unterweltler Hans Styx in diesem heterogenen Besetzungsumfeld die eindrücklichste Leistung. Mit maßgeschneiderten Baden-Couplets (von Beimpold) und einem Gesichtsausdruck, als zuzelte er seit ewigen Zeiten an einer Zitrone, erspielt sich der Komiker die Sympathien des Publikums.

Beimpold huldigt im ersten und zweiten Akt den beiden komödiantischen Gottheiten Tempo und Timing zu wenig. Im Finalakt – Ausstatterin Mignon Ritter wartet hier nach einer himmlischen Kostümorgie mit einem beachtlichen Höllenschlund auf – drehen sich die Rädchen dann flinker.

Schön, dass auch im Orchestergraben alles beim Alten geblieben ist: Das von Franz Josef Breznik geleitete Orchester kämpft bei den Vorspielen verstimmt gegen die rumpelnden Umbauarbeiten der Bühne an, bevor es zum finalen Cancan noch einmal alle Kräfte mobilisiert; Chor und Ballett schonen sich ebenfalls nicht. Begeisterung in Baden. (Stefan Ender, 25.6.2017)