In der Volksschule Kolsassberg drücken nur 29 Kinder die Schulbank. Solche Kleinschulen will man künftig in Clustern zusammen verwalten.

Foto: Emanuel Kaser

Innsbruck – Heute stehen "gemeine Wörter" auf dem Stundenplan der Volksschule Kolsassberg. Labyrinth ist eines, weil man das y wie ü ausspricht, weiß David in der ersten Reihe. Für Direktorin Sibylle Jaklitsch passt ein anderer Begriff in diese Kategorie: Bildungsreform. Die Leiterin der Kleinschule mit 29 Kindern hoch über dem Inntal macht ihrem Ärger Luft: "Die Politiker haben keine Ahnung, was sich hier abspielt." Sie beklagt mangelnden Rückhalt und vor allem zu wenige Ressourcen seitens der Entscheidungsträger. Um Letztere freizumachen, sollen künftig Kleinschulen zu sogenannten Clustern zusammengeschlossen werden.

Unattraktive Leitungsjobs

Für Jaklitsch eine typische Schnapsidee jener, die "noch nie in der Praxis waren". Sie selbst hat gemäß Dienstplan wöchentlich eine Lehrverpflichtung über 17 Stunden, plus weitere drei Stunden für Verwaltungsaufgaben. Das reiche hinten und vorn nicht aus, um die kleine Schule mit zwei fixen Lehrerinnen und drei Teilzeitkräften zu administrieren. Von Clustern von bis zu acht Schulen mit einer gemeinsamen Leitung hält die 49-Jährige dennoch nichts: "Wer soll denn diesen Job machen? Dazu braucht es dann keine Lehrer mehr, sondern Manager." Schon jetzt gebe es an vielen Schulstandorten Probleme, die Leitungsfunktion zu besetzen, weil die Aufgabe unattraktiv sei.

Hinzu kommt im ländlichen Raum das Problem der Entfernungen. "Es ist schwierig für die Lehrer, wenn man keine Leitung im Haus hat", erklärt Jaklitsch. Es fehle der Bezug zu den Kindern und zum Lehrpersonal. In der Umgebung von Kolsassberg gebe es zwar einige Kleinschulen, die gemäß der in der Reform genannten Kriterien fusioniert werden könnten. Aber für den Clusterleiter würde das bedeuten, den halben Tag im Auto zu verbringen, um an den Standorten präsent zu sein.

Laptop vs. Overheadprojektor

Johanna Part ist seit fünf Jahren die zweite fixe Lehrperson in Kolsassberg. Die 25-Jährige hat bei einem sechsmonatigen Arbeitsaufenthalt in Dänemark das skandinavische Schulsystem kennengelernt. "Man verweist bei uns immer darauf und versucht Anleihen zu nehmen", sagt sie, aber es hapere in Österreich schon am Grundlegenden wie der Ausbildung der Lehrer oder der Ausstattung der Schulen: "Während in Dänemark jedes Kind einen Laptop bekommt, kämpfen wir um einen Overheadprojektor."

Die Volksschule in Kolsassberg zählt zumindest nicht zu jenen mit sinkenden Schülerzahlen. Waren es vor zwei Jahren noch 16 Schüler, so betreuen Jaklitsch und Part heute 29 – Tendenz steigend. "Innsbruck ist nur 20 Minuten entfernt, hier wird viel gebaut", erklärt die Direktorin. Die erste und vierte Schulstufe sowie die zweite und dritte werden in Kolsassberg zusammen unterrichtet. Neben den beiden Klassenräumen gibt es noch das Zimmer für die Direktorin und die Lehrerin sowie einen Turnsaal und im alten Schulgebäude gegenüber einen Werkraum.

Die Diskussionen über die Bildungsreform haben die beiden Pädagoginnen irgendwann ausgeblendet. "Ich habe aufgehört, die Berichte darüber zu lesen", sagt Jaklitsch. Auch seitens der Eltern sei das Thema nie angesprochen worden. Beunruhigen lasse sie sich jedenfalls nicht, so die Direktorin: "In der Politik wird viel geredet. Wer weiß, was nun wirklich wann kommt." Sie habe noch von keiner übergeordneten Stelle irgendeine Info zur Bildungsreform und zu etwaigen Neuerungen erhalten. "Wir sind total uninformiert", beklagt auch Part die mangelnde Kommunikation. Das kommende Schuljahr werde daher genauso starten wie jenes davor. (Steffen Arora, 28.6.2017)