Im britischen Sissinghurst gibt es einen sehr berühmten Gartentrakt, der ausschließlich mit weiß blühenden Pflanzen bestückt ist.

Illustration: Dennis Erikkson

Wie man weiß, ist es der Geschwätzigkeit des Internets geschuldet, dass den Inuit die Gabe zugeschrieben wird, Schnee 243 unterschiedliche Begriffe zuordnen zu können. Sie könnten das gar nicht, sagen sie, wenn man sie fragt. Was man ebenfalls zu wissen glaubt, ist, dass Trankler 95 unterschiedliche Begriffe für die Farbe Blau haben und Sissinghurst-Besucher rund 341 verschiedene Arten von Weiß benamsen können.

Im britischen Sissinghurst gibt es einen sehr berühmten Gartentrakt, der ausschließlich mit weiß blühenden Pflanzen bestückt ist. Weiß, so weiß man, ist per se keine Farbe, sondern die maximale Reflexion des einfallenden Lichts – und somit ausschließlich von der Qualität des Lichts abhängig.

Und da sich im Tagesverlauf die Licht- und Farbtemperaturen ändern, ändert auch der weiße Garten sein Aussehen mit dem jeweiligen Stand der Sonne.

Schneeweiß im Sommer

Gerade jetzt im Sommer wirken schneeweiß blühende Pflanzen ein wenig prollig, viel zu hart erscheint ihr Licht, viel zu grell geben sie die Kraft der Sonne zurück. Doch wer schon einmal in Sissinghurst war, hat danach bestimmt ganz andere weiß blühende Pflanzen im Garten gedeihen.

Die Rede ist von Pflanzen, deren Cremeweiß besonders gut im Schlagschatten von Birken zur Geltung kommt; Pflanzen, deren gräulich angehauchtes Weiß zwischen Rudbeckien und Flockenblumen erst in der Dämmerung so richtig zu bestehen und glänzen weiß; Kletterpflanzen, deren stumpfes, mattes Weiß in der zeitigen Früh das Spalier erst so richtig schmückt. Man muss diese Pflanzen nur suchen und sich deren Einsatz zutrauen.

Zu den prächtigsten dreckig-weißen Halbschattenblühern gehört die Große Sterndolde Astrantia major. Außergewöhnlich schön, zieht sie Bienen und Betrachter an, sorgt für Ruhe im Beet, und sie bedarf lediglich einer gewissen Grundfeuchte im Boden. Je nach Uhrzeit wirkt sie dann, wenn anderen die Luft ausgeht.

Nicht minder beeindruckend ist die Oktober-Silberkerze Cimicifuga simplex "Brunette": Sie besticht mit ihrem ganz leicht rosa angehauchtem Weiß selbst in den dunkelsten Gartenecken und bedarf keiner sonderlichen Pflege. Und gleich noch zwei Clematis-Züchtungen für den weißen Garten: Da ist einerseits die verträumt schöne Clematis montana "Marjorie", deren cremiges Weiß zartgrüne Schattierungen aufweist und auch ein wenig Altrosa mitbringt, andererseits die nicht übertrieben wüchsige Clematis "Pixie". Die Blütenform und Farbe dieser Pflanze erinnert an Omas Erstkommunionskleid – natürlich als Oma noch ein Mädchen war. (Gregor Fauma, RONDO, 14.7.2017)