Hier wird getestet, ob die Triebwerksverkleidung später auch beim Flugzeugbauer sitzt, passt und hält. Denn zurückschicken ist in dieser Branche keine Option.

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Die Kunst besteht darin, bei den Teilen verschiedenste Werkstoffe wie Kunststoff, Karbon, Glasfaser oder Titan zu leichten und trotzdem tragfähigen, steifen Teilen zu kombinieren.

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Unternehmenschef Robert Machtlinger ist positiv gestimmt.

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Wien / St. Martin – Auf dem Parkplatz stehen viele Fahrzeuge mit deutschem Kennzeichen. 900 Mitarbeiter pendeln mittlerweile über die deutsch-österreichische Grenze in die 2000-Seelen-Gemeinde St. Martin im Innkreis. Dort, wo einst Erdbeeren wuchsen, hat sich mittlerweile der Flugzeugzulieferer FACC großflächig breitgemacht. Mehrere Werkshallen fügen sich zu einem Komplex über mehrere Quadratkilometer. Und die Zeichen stehen weiter auf Wachstum, sagt FACC-Chef Robert Machtlinger.

Die Aufräumarbeiten nach dem Cyberbetrug, bei dem das Unternehmen 52 Millionen Euro u. a. nach China überwiesen hatte, seien erledigt, die entsprechenden Schlüsse daraus gezogen. Für FACC war die Sache durchaus bedrohlich: Der Großteil des Geldes musste abgeschrieben werden, der Kurs der Aktie stürzte auf ein Allzeittief. Machtlinger war im Vorjahr viel unterwegs, galt es doch die Kunden – zu ihnen zählen alle, die in der Branche Rang und Namen haben, wie Airbus, Boeing, Embraer und Bombardier – davon zu überzeugen, dass der Betrieb uneingeschränkt läuft. 2016/17 hat man wieder Gewinn gemacht, der Aktienkurs hat sich erholt. "Und der Eigentümer ließ uns trotzdem investieren."

Leichter und effizienter

Jetzt will der 49-Jährige, seit Mitte Februar Nachfolger von Firmengründer Walter Stephan, der neben der Finanzchefin von den chinesischen Eigentümern nach dem "CEO-Fraud" vor die Tür gesetzt worden ist, die Ärmel hochkrempeln. Machtlinger empfängt im Konferenzraum Seattle-Tacoma im Werk fünf. Besprechungsräume tragen hier Namen von internationalen Flughäfen, etwa New York JFK oder Toulouse-Blagnac. Ganz auf die internationale Kundschaft und den Exportanteil von 99,5 Prozent ausgerichtet.

Mit FACC lenkt der gelernte Techniker ein Unternehmen, für das er seit der Gründung Anfang der 1980er-Jahre arbeitet. Mittlerweile sind die Leichtbauteile aus keinem modernen Verkehrsflugzeug mehr wegzudenken. 3400 Mitarbeiter aus 41 Nationen, der Großteil arbeitet in den Werken im Innviertel rund um den Stammsitz in Ried, setzen heute 710 Millionen Euro um. "Effizienter, leiser, leichter und trotzdem leistbar, das sind die Themen in der Luftfahrt", sagt Machtlinger. 1985 bestand ein Airbus zu sechs Prozent aus Leichtbauteilen. Bei dem modernsten Airbus-Modell A350 sind es über 50 Prozent. Militärisches Fluggerät bringt es auf 85 Prozent. Bis Verkehrsflugzeuge einen derart hohen Anteil erreichen, werden noch Jahre vergehen, sagt Machtlinger. Für den geborenen Innviertler ist jetzt die Zeit der Ernte angebrochen. In den letzten neun Jahren wurden rund 400 Millionen in die Entwicklung von neuen Flugzeugteilen, Technologien und Standorten investiert. "33.000 neue Flugzeuge werden in den nächsten 15 Jahren gebaut. Eine schöne Perspektive."

Mitarbeiter gesucht

Bis 2020 will FACC bis zu 700 neue Mitarbeiter einstellen. Keine leichte Sache, wie der FACC-Chef einräumt. "Der Fachkräftemangel ist der limitierende Faktor." In der Region selbst ist die Arbeitslosigkeit mit rund vier Prozent niedrig. Auch andere Leitbetriebe wie KTM oder Amag sind auf qualifiziertes Personal angewiesen. Dass das Gehaltsniveau zu niedrig sein könnte, lässt Machtlinger mit Verweis auf den Zuzug aus Bayern nicht gelten. In der Vergangenheit hat man sich mithilfe der Wirtschaftskammer bereits im Ausland umgesehen. So wurden etwa in Spanien Arbeitskräfte angeworben. Ein aufwendiger Prozess, wie Machtlinger, einräumt. Von den 1000 Bewerbern fing nur einer an, in Ried zu arbeiten. Ihm folgten später noch gezählte 27. An sich spielen die Personalkosten laut Machtlinger eine untergeordnete Rolle, denn der Lohnkostenanteil bei den Projekten sei klein. Ganz außen vor bleiben sie nicht. Standardkonfigurationen erledigt ein 30-köpfiges Team in Indien zu einem Fünftel der Kosten. Auch das Gehalt der 70 Mitarbeiter im Konstruktionsbüro in Bratislava ist niedriger als das in Österreich.

Lukratives Geschäft ausbauen

Die Milliardengrenze beim Umsatz will der FACC-Chef 2020 überschreiten, gleichzeitig sollen die Margen steigen. Letzteres auch durch den Ausbau des lukrativen Service- und Reparaturgeschäfts. Denn für die Airlines wird auch die Innenausstattung wichtiger. "Sie tendieren dazu, etwa alle sieben Jahre neu zu möblieren", sagt Machtlinger. Ein Milliardenmarkt, von dem die Innviertler profitieren wollen, denn die Margen sind etwa ein Viertel höher. Aktuell wird ein Projekt mit Lufthansa-Technik umgesetzt, der A380 bekommt eine neue First-Class-Einrichtung. Die im Innviertel gebauten Kabinen werden den Fliegern in Hamburg eingepflanzt. Derzeit bewegt sich das Volumen im sogenannten Retrofit-Geschäft im hohen einstelligen Millionenbereich. Zwischen 50 und 80 Millionen Euro Umsatz will man in den nächsten fünf Jahren damit erwirtschaften.

Anders als in der Autoindustrie sind Roboter beim Flugzeugteilebau aufgrund der niedrigen Stückzahl eine Seltenheit, wie ein Lokalaugenschein in Werk vier zeigt. Über 500 Mitarbeiter fertigen hier auf 24.000 Quadratmetern Großvolumiges wie Triebwerksverkleidungen und Schubumkehrklappen für die großen Triebwerkshersteller. Hektik herrscht hier nirgendwo. Bedächtig werden Lagen über Lagen gelegt, vielfach von Frauen. Dass man auf Fehlerlosigkeit bedacht ist, ergibt sich schon daraus, dass eine Schubumkehrverkleidung auf 100.000 Euro zu taxieren ist. Pro Flugzeug werden vier von ihnen verbaut.

Die Kunst besteht darin, verschiedenste Werkstoffe wie Kunststoff, Karbon, Glasfaser oder Titan zu leichten und trotzdem tragfähigen, steifen Teilen zu kombinieren, ähnlich wie ein Sandwich. Vieles davon wird in Handarbeit erledigt. Gebacken werden manche Teile im Ofen, wie der Autoklav, ein gasdicht verschließbarer Druckbehälter, salopp heißt. Und manche Bauteile verlassen mit Rüschen verziert das Werk. (Regina Bruckner, 28.6.2017)