Die Installation "Clarity" (2010) der Gruppe Visible Solutions imaginiert einen Außenraum, den man sich in den Innenraum stellt. Aber Achtung: Das Gras zu betreten ist verboten.

Foto: Jorit Aust

Wien – Einer der Hauptleidtragenden unserer kapitalistischen Arbeitswelt ist kein anderer als der menschliche Körper selbst. So lautet eine Prämisse jener Ausstellung, die die Kunsthalle Wien am Karlsplatz zur Vienna Biennale beisteuert, die 2017 unter dem Motto "Roboter. Arbeit. Unsere Zukunft" steht.

"Wie formen wir unsere Körper, um leistungsfähiger zu sein und mehr zu konsumieren?", fragen die Kuratorinnen Eva Meran und Anne Faucheret. Mit Begriffen Michel Foucaults geht es ihnen um die "Disziplinierungsmaßnahmen" gegenüber dem Körper, aber auch um Fragen der "Biopolitik". Damit bezeichnete der Philosoph eine Machtausübung, die auch vor der Überwachung und Regulierung der Gesundheit von Einzelpersonen oder ganzen Bevölkerungen nicht haltmacht.

In die Zukunft versetzt

Versammelt sind zu diesem Themenkomplex zehn Positionen, zwischen denen man sich zunächst ein Stück in die Zukunft versetzt fühlt. Maßgeblich verantwortlich ist dafür eine Arbeit von Shawn Maximo (geb. 1975 in Toronto). Mittels eines wandfüllenden Tableaus erweitert er den Ausstellungsraum um einen futuristischen "Kosmetikladen".

Nicht bloß um die äußerliche Überhöhung und Korrektur des Körpers scheint es hier allerdings zu gehen. Nein, zur Debatte steht die totale Formbarkeit der Kreatur. Immerhin gibt es hier neben der Wimperntusche in kleinen Schütten auch gleich Augäpfel im Angebot. Aus einer Schublade ragt ein Fuß heraus, ohne dass man sagen könnte, ob es sich um ein Ersatz- oder einen Leichenteil handelt, zum Beispiel des letzten Menschen, der sich der Cyborgwerdung noch widersetzte.

Wohnt Maximos in steriler 3D-Computergrafik gefertigtem Wandbild ein Horror inne, so verfolgen Juliette Goiffon und Charles Beauté einen weniger dystopischen Ansatz. Auch in ihrer Rauminstallation spielen Schönheits-OPs eine entscheidende Rolle. Diese bunten Gesichter an der Wand, die zunächst wie eine ungewöhnliche Variation auf die Masken indigener Völker wirken, beruhen eigentlich auf aus dem Internet heruntergeladenen Skizzen für Gesichtsliftings.

Yoga mit Diagrammen

Sind auf diesen Masken stellenweise auch Akupunktur-Punkte markiert, so spielt die Installation von Goiffon und Beauté auch grundsätzlich mit der Vermengung von Weltanschauungen: In so etwas wie eine Yogamatte sind hier Workflow-Diagramme eingearbeitet; in das Glas, hinter dem weitere medizinische Kartografien des Körpers prangen, sind moderne Gebote graviert: "Höre auf die Kraft deines Energieflusses!", "Verändere dein Leben Schritt für Schritt!" Gebote, die an dieser Stelle irritieren, weil man auch daran erinnert wird, wie sehr sie längst vom neoliberalen Trend zur "Selbstoptimierung" respektive Selbstausbeutung vereinnahmt sind.

Ein pointiertes Bild für diese Art des Raubbaus fand Sidsel Meineche Hansen. Teil ihrer Werkreihe The Manual Labour Series (2013) ist ein Holzdruck, auf dem die 1981 geborene Künstlerin das Wort "Freelance" gar wörtlich nimmt: Ein martialischer, aber kostenloser Spieß, eine "free lance" eben, geht durch ein Handgelenk. Weitere Arbeiten Hansens sind auf das kapitalistisch nicht verwertbare Eigenleben des Organismus gemünzt. So zeigt sie etwa auch eine Kartografie des autonomen, also nicht bewusst steuerbaren Nervensystems, um auf Phänomene wie Burnout, Stress und Depressionen zu verweisen.

Mit der Kunst schlafen

Ein Ansatz, für den auch Danilo Correale steht. No Sleep No More heißt die Installation des Italieners, in deren Zentrum zwei Betten stehen. Darauf kann man sich legen und entweder eindösen (danke, Kunst!) oder sich einem psychedelischen Video hingeben. Neben dieser auf Interviews mit Geistes- und Naturwissenschaftern beruhenden Arbeit ist Correale außerdem mit einer über Energydrinks vertreten.

Werbung für die aufputschenden Safterln ist auf eine Reihe von Seidentüchern gedruckt: ein weiteres Bild dafür, dass das gefährliche Gebot zur Optimierung unserer Leistungsfähigkeit uns oft auf täuschend weichen Pfoten umschleicht. (Roman Gerold, 30.6.2017)