Von "zusammengeschusterten Vorschlägen" bis zur "riesigen Geldverschwendung": SP-Chef Kern wirft der ÖVP in der Uni-Politik Versagen vor und hält die VP-Ideen zur Pflegefinanzierung für untauglich.

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Wien – Es war ein Parlamentsfinale nach Christian Kerns Geschmack. "Die Politik, die wir in das Regierungsprogramm hineinreklamiert haben, wurde allesamt umgesetzt", frohlockt der Bundeskanzler. Ob Beschäftigungsbonus, die Aktion 20.000 für Langzeitarbeitslose über 50 Jahren oder das Aus für den Pflegeregress: "Es sind Dinge passiert, die noch im Mai unmöglich schienen."

Die ÖVP hingegen – der SPÖ-Chef kann es sich nicht verkneifen – sei "viel mit Posten, Poker und Parteitaktik beschäftigt gewesen". Als Beispiel nennt Kern bei einem Gespräch mit Journalisten den Streit um die Aufstockung des Budgets für die Universitäten, die der Koalitionspartner zu verhindern versucht habe, um die Studienplatzfinanzierung zu erzwingen: "Sebastian Kurz und die ÖVP haben gepokert – und das Spiel sichtlich verloren."

Warum die SPÖ mit FPÖ und Grünen nur die zusätzlichen 1,35 Milliarden für die Unis beschlossen hat statt beides zusammen mit der ÖVP, erklärt Kern mit der schlechten politischen Vorarbeit. Das Wissenschaftsministerium habe ohne parlamentarische Begutachtung einen "maximal zusammengeschusterten Vorschlag" durchboxen wollen, ohne die entscheidenden Fragen nach Strategie und Schwerpunkten der Unis zu beantworten: "Das alles ist nicht vorgelegen."

Überstrapazierte Geduld

Fehlende Planung habe im von der ÖVP geführten Wissenschaftsministerium Methode, meint Kern. Aus der Bankenabgabe seien 100 Millionen Euro vorgesehen, um Fachhochschulplätze für etwa Mathematik, Informationstechnologie und Naturwissenschaften aufzustocken, "doch bis heute gibt es kein Konzept". Die vor einigen Jahren neu eingerichtete Medizin-Fakultät in Linz hält der Kanzler gar für eine "riesige Geldverschwendung".

"Irgendwann ist die Geduld am Ende", sagt Kern, denn aus dem "Regierungsbruch", den Kurz mit seinem Ruf nach Neuwahlen vollzogen habe, gebe es eine Conclusio: "Wir beschließen aus Parteitaktik heraus keine halben Sachen mehr." Und noch ein Seitenhieb auf den Hauptkonkurrenten wegen des Nein der ÖVP zur Öffnung der Ehe für Homosexuelle: "Angela Merkel ist mit ihren über 60 Jahren fortschrittlicher als Kurz mit seinen 30." Allerdings hat Merkel die Entscheidung "ihren" Abgeordneten von der CDU bloß freigestellt, selbst aber dagegen gestimmt.

Nicht abgeschlossen sei die Frage, wie die Pflege künftig finanziert werden soll, die SPÖ werde die Erbschaftssteuer im Wahlkampf weiter propagieren. Die auf Wunsch der ÖVP nun vereinbarten Alternativen – Fotos auf der E-Card zur Missbrauchsbekämpfung, günstigerer Arzneimitteleinkauf für Pflegeheime – würden "realistischerweise" vielleicht die sechs Millionen für die neue Gratishepatitisimpfung für Feuerwehrleute einbringen, nie aber die 100 bis 200 Millionen für die Abschaffung des Pflegeregresses: "Das muss man so offen sagen."

Er habe schon eine Idee, wo man richtig sparen könne, sagt Kern und verweist auf ein drohendes Urteil des Verwaltungsgerichtshofes: Dieses könnte bewirken, dass auch Hotels jene Rückerstattung eines Teils der Energieabgaben bekommen, wie sie produzierenden Betrieben gewährt wird. Die Regelung gehöre ordentlich repariert, ehe dem Staat eine Nachzahlung von 500 Millionen drohe, so der SP-Chef. Doch der Wirtschaftsbund in der ÖVP verhindere offenbar eine Initiative des ebenfalls schwarz regierten Finanzministeriums: "Wenn wir mit der ÖVP keine Lösung finden, werden wir auch das eigenständig im Parlament einbringen."

Aus dem Finanzministerium heißt es hingegen: Man warte die Entscheidung des Gerichts ab.

Kein Angebot an Pilz

Doch inhaltliche Erfolge hin oder her: In den Umfragen ist der Regierungschef zurückgefallen. Was ihm Hoffnung gibt, dass der Vorsprung seines Rivalen Kurz noch aufzuholen ist? Im September könne eine ganz andere Dynamik entstehen, die sogar neue Mehrheiten ermöglicht, sagt er: Was die Momentaufnahme zeige, "können wir getrost vergessen".

Ob er daran gedacht habe, einen bestimmten ausgebooteten Grün-Abgeordneten als Verstärkung zu holen? "Ich habe Peter Pilz kein Angebot gemacht", sagt Kern, "weil ich in dreißigjähriger Kenntnis von Pilz diesen Versuch für total sinnlos erachte". (Gerald John, 1.7.2017)