Was tun mit Parkflächen, die nicht mehr benötigt werden? Darüber machen sich Stadtplaner, Investoren sowie Parkhausbetreiber und -entwickler heute immer öfter Gedanken

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Das Projekt "Seehub" wird neben Parkplätzen auch Büroflächen und einen Trampolinpark beherbergen.

Visualisierung: List Group

Mit der Seestadt Aspern entsteht in Wien-Donaustadt ein Stadtteil der Zukunft: Heute leben hier mehr als 6000 Menschen, bis 2030 sollen noch einmal 16.000 dazukommen. Eines ist jetzt schon klar: Auch in der Stadt der Zukunft wird es Platz für Autos geben – so will es auch die Wiener Bauordnung: Pro 100 m² Wohnfläche ist ein Stellplatz zu schaffen. Im Seeparkquartier und im Norden der Seestadt wurde das aber, je nach U-Bahn-Nähe, auf 0,85 bzw. 0,6 Stellplätze reduziert, wie die Aspern Development AG auf Anfrage mitteilt. 1900 Stellplätze gibt es also derzeit in sieben Sammelgaragen, sie würden derzeit noch über "ausreichend Kapazitäten" verfügen.

Projekt "Seehub"

Auch die List Group will in der Seestadt ein Parkhaus errichten. Wenn alles nach Plan läuft, dann findet der Baustart für das Projekt "Seehub" noch heuer statt, die Fertigstellung ist für 2018 vorgesehen. Beim "Seehub" handelt es sich um ein multifunktionales Objekt, das nicht nur 440 Parkplätze, sondern auch 1000 m² an Büroflächen und einen 3000 m² großen Trampolinpark beherbergen wird. "Früher diente eine Garage rein der Funktionalität. Es ging um das Abstellen eines Fahrzeuges", sagt Paul Brozsek von der List Group. "Heute werden dafür Architekturwettbewerbe veranstaltet."

Der Trend ist international: Auch die verstorbene Stararchitektin Zaha Hadid und die Schweizer Architekten Herzog & Meuron haben schon Parkhäusern ihren Stempel aufgedrückt.

Viele Herausforderungen

Dabei kommt auf die Branche eine Vielzahl an Herausforderungen zu: Die E-Mobilität hält Einzug, selbstfahrende Autos werden erprobt, und immer mehr Menschen nutzen Carsharing. Sorgen macht man sich diesbezüglich nicht: "Wien wächst – und der Zuzug kommt ja nicht ohne Auto", sagt Kurt Kasperak von der List Group.

"Solange Wohnraum gebaut wird, werden auch Parkplätze gebaut", fügt Kollege Paul Brozsek hinzu. Auch Stefan Sadleder, Geschäftsführer des Parkraumbewirtschafters Apcoa Parking Austria, bemerkt keinen Rückgang an Frequenz in seinen Parkhäusern.

Viele sehen Autos in der Stadt aber heute kritisch: "Smart Cities verbannen Autos zunehmend aus dem Stadtzentrum", sagt Sadleder, zuletzt etwa ließ Stuttgart mit dem Beschluss von Fahrverboten für ältere Dieselautos aufhorchen.

Hoch- statt Tiefgaragen

Heute werden deshalb häufig Hoch- statt Tiefgaragen gebaut: "So kann man schauen, wie sich ein Standort entwickelt, und das Objekt so planen, dass man im Fall des Falles in zehn Jahren noch ein Stockwerk draufsetzen kann", erklärt Brozsek. Und wenn es nicht läuft wie geplant? "Dann kann man eine Hochgarage auch wieder rückbauen."

Eine Hochgarage ist außerdem um rund die Hälfte günstiger. Und sie erlaubt mehr Möglichkeiten in puncto Nachnutzung. Denn dazu machen sich nicht nur Stadtentwickler Gedanken, sondern auch Investoren, die Parkhäuser als gewinnbringende Assetklasse entdeckt haben. Sadleder glaubt, dass Logistikflächen eine gute Möglichkeit für nicht mehr benötigte Parkhäuser wären, oder, in guten Lagen, Flächen für Dienstleister. Immer wieder lassen Architekten auch mit visionären Ideen aufhorchen, wie sie Parkhäuser zu Wohnraum umfunktionieren wollen – etwa durch Aufstockung: "Das sehe ich nicht", sagt Sadleder jedoch. "Da stellt sich nämlich die Frage, ob es nicht günstiger wäre, das Parkhaus abzureißen."

Auch um die Akzeptanz in der Bevölkerung für die Parkhäuser zu erhöhen, wird heute großes Augenmerk auf die Optik gelegt. Besonders in der Seestadt, wo sich die List Group mit ihrem Entwurf für den "Seehub" mehrmals einem Fachbeirat stellen musste. "Der Trend geht weg von Stahlbetonbauten hin zu schönen, transparenten Stiegenhäusern", sagt Brozsek. "Ein Parkhaus muss sich harmonisch in seine Umgebung einfügen." Auf Fassaden wird daher auf Begrünung oder eine Gestaltung durch Künstler gesetzt.

Kino auf dem Parkhaus

Auch die Nutzung des Daches rückt angesichts der Knappheit innerstädtischer Flächen in den Fokus: Das Berliner Start-up MQ Real Estate kündigte im Vorjahr an, auf Parkhäusern in innerstädtischen Lagen Hotelzimmer-Module errichten zu wollen. Auf dem Dach des "Seehub" in der Seestadt sind immerhin fünf Fußballfelder geplant, wer es künftig nutzen darf, werde derzeit noch verhandelt, sagt Brozsek. Er kann sich auch Flächen für Urban Gardening vorstellen. PV-Anlagen gibt es bereits. "In der Schweiz haben wir demnächst ein Kino auf dem Dach eines Parkhauses", berichtet Sadleder. Allerdings: "Bei solchen Plänen kollidieren oft die Wünsche der Planer mit Behördenauflagen", etwa was Fluchtwege und Toilettenanlagen angeht. (Franziska Zoidl, 4.7.2017)