Wenn "Willkommen Österreich"-Reporter Peter Klien auftaucht, tauchen manche Politiker oder andere Prominente lieber ab. Nicht so zum Beispiel Erwin Pröll und Prinz Charles.

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Erwin Pröll reizte Klien mit der Frage, ob es nie gereizt habe, "in die echte Politik zu gehen, also in den Bund oder nach Europa".

Foto: Screenshot von Peter Kliens Youtube-Kanal

Prinz Charles lauerte Reporter Klien mit der Frage auf: "Do you have a king-size bed?" His Royal Highness befand: "What a ridiculous question." Nicht lächerlich genug, um sie nicht ein zweites Mal zu stellen. Und? "You already asked that", meinte der britische Thronfolger trocken.

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STANDARD: Wenn Sie Erwin Pröll, ehedem Landeshauptmann von Niederösterreich, fragen, ob es ihn nie gereizt hat, in die "echte Politik zu gehen, also in den Bund oder nach Europa", mit Wiens Bürgermeister Michael Häupl nachdenken, ob man einen "guten Roten am starken Abgang erkennt", oder Prinz Charles zweimal die Frage zurufen: "Do you have a king-size bed?" Was ist das? Guerilla-Philosophie in der Tradition von Sokrates – "Ich weiß, dass ich nicht weiß, darum frage ich" – oder Diogenes' "Geh mir aus der Sonne", egal, wer du bist?

Klien: Beides. Mit Sokrates hat's ganz sicher zu tun, weil er ja derjenige ist, der nichts Besseres zu tun hat, als auf dem Marktplatz der Stadt zu stehen und Leute ins Gespräch zu verwickeln, um ihnen zu zeigen, dass sie nichts wissen. Leuten, die etwas überhöht daherkommen oder einen großen Nimbus haben, nimmt er sozusagen die Luft aus der Luftmatratze, und dann fallen sie vor aller Augen zusammen. Die sind nicht begeistert drüber, aber das ist seine Aufgabe, nicht um die Leute zu quälen, sondern um der Wahrheit auf die Sprünge zu helfen. Platon hat Sokrates als Gelse der Stadt bezeichnet, die herumfliegt und alle sticht, und alle schlagen nach ihr. Ist für Sokrates auch im Endeffekt schlecht ausgegangen – immerhin wurde er im Alter von 70 Jahren von seinen geplagten Mitbewohnern aus fadenscheinigen Gründen zum Tod verurteilt. Ich hoffe, dieses Ende bleibt mir erspart. (lacht) Die Respektlosigkeit beim Fragen, sich nicht zu kümmern um die Meinungen anderer und auf eine gewisse freche Art die Respektspersonen respektlos zu behandeln, das ist hingegen sicher auch sehr nach Art des Diogenes.

Peter Klien
Peter Klien

STANDARD: Mit welchem Politikverständnis oder -befund gehen Sie an die Sache heran?

Klien: Mein Grundbefund unterscheidet sich nicht von dem, der überall zu hören ist, dass der Stillstand so überwogen hat und in den, sagen wir, letzten zehn Jahren einfach nichts weitergegangen ist im Land. Dazu kommen Beobachtungen wie die Flüchtlingskrise und die Nichtreaktion der EU bzw. die Reaktion der Bundesregierung, die in Streiterei besteht. Diese Dinge machen einen dann fassungslos.

STANDARD: Sind Sie und diese Art von Politikvermittlung auch ein Krisensymptom – für den Zustand der Politik und/oder des Journalismus? Wie erklären Sie sich den Erfolg des Formats?

Klien: Offensichtlich habe ich einen Nerv der Zeit getroffen. Ein Punkt ist sicher, dass die klassische Berichterstattung durchbrochen wird, diese Einbahnstraße von den Politikern runter zu den Rezipienten, die ab und zu mit einem journalistischen Kommentar gewürzt ist. Politik überflutet uns ja wie Werbung auch. Diesen Spieß einmal umgedreht zu finden erfüllt die Leute offensichtlich mit tiefer Befriedigung.

STANDARD: Verstehen Sie sich als Journalist oder als subversiver Komiker im Politikbetrieb?

Klien: Als Journalist würde ich mich nicht bezeichnen, weil ich ja nicht in dem Sinn inhaltliche Arbeit betreibe. Ich sehe mich schon als Komiker, Kabarettist oder Comedian – wie immer man es nennen möchte. Aber natürlich hat es auch was Politisches und eine journalistische Note.

STANDARD: Sie sagten einmal: "Man kann als Humorist alles tun." Darf Satire wirklich alles?

Klien: Grundsätzlich ja, aber man soll sich schon gut überlegen, was man tut. Mir geht's nicht um Provokation um der Provokation willen. Ich möchte nicht nur die Schlagzeilen bekommen, sondern mir ist schon sehr wichtig, dass das, was ich mache, einen inhaltlichen Kern hat. Und weil Satire alles darf, ist es primäres Ziel, nicht die Durchschnittsbevölkerung lächerlich zu machen, sondern ich will mich mit den Mächtigen anlegen.

STANDARD: Kultpotenzial hat Meinungsforscher Peter Hajeks Reaktion nach der Hofburg-Wahl auf Ihre Aussage, "dass man den Eindruck hat, dass die Leute nur noch Meinungsforscher werden, weil sie als Horoskopschreiber bei der Zeitung nicht genommen werden". Hajek: "Ich finde das despektierlich und des ORF unwürdig". Gibt es seitens des ORF Grenzen, oder können Sie tun und lassen, was Sie wollen?

Peter Klien

Klien: Es gibt schon Grenzen, es sind auch schon Beiträge, wenn man das strenge Wort verwenden möchte, zensiert worden.

STANDARD: Das heißt was?

Klien: Dass gewisse Dinge nicht gespielt werden sollten, weil sie zu einseitig seien oder unnötig Öl ins Feuer gießen würden im Rahmen einer politischen Auseinandersetzung. Aber im Grunde lässt uns der ORF da schon sehr freie Hand. Man muss dazu sagen, das passiert im Garten von Willkommen Österreich mit Stermann und Grissemann. Das ist eine Spielwiese, die extrem frei ist vom Gängelband der Politik und auch von der ORF-Geschäftsführung.

STANDARD: Welche Politikertypen haben Sie denn bis jetzt ausgemacht? Bei Michael Häupl etwa hatte man ja den Eindruck, als würde er nachgerade auf den Ball von Ihnen warten, damit er eine Wuchtl zurückschießen kann.

Klien: Ja, gut, der Häupl hat halt, wie man in Wien sagen würde, eine Wirtshausgoschn. Er hat kein Problem damit zurückzureden, im Gegenteil. Der macht das aus der Hüfte, das war für mich selber überraschend, wie souverän der reagiert. Das kann nicht jeder. Das muss auch nicht jeder Politiker können, ganz ehrlich gesagt. Ich würde nicht sagen wollen, dass die Leute, die mit mir nicht gut umgehen können, per se unwählbar sind. Überhaupt nicht. Ein guter Politiker muss nicht schlagfertig sein, er muss nicht leutselig sein oder immer einen Schmäh dabei haben. Aber durch die Art, wie ich mit den Politikern umgehe, sieht man klar, wer wie tickt in humoristischer Hinsicht, und man kann sich vielleicht ein besseres Bild von der Person machen.

Peter Klien

STANDARD: Einer, der bis jetzt immer vor Ihnen geflüchtet ist, ist Sebastian Kurz. Welche Frage würden Sie dem Chef der "neuen Volkspartei" stellen wollen? Vielleicht liest er sie ja und ist dann gewappnet für die nächste Begegnung.

Klien: Ich hab ihm ja schon Fragen gestellt, die er nicht beantwortet hat. Vielleicht muss ich ihm eine nette Frage stellen: "Wie spät ist es denn?", um ins Gespräch zu kommen. Vielleicht redet es sich nach dem Smalltalk leichter.

STANDARD: Wenn man mit Ihnen ins Gespräch kommt, ist man aber schon in der Falle ...

Klien: Es passiert ja nix Schlimmes ...

STANDARD: Was würden Sie einem Politiker raten für den Fall, dass er an Sie gerät?

Klien: Wenn sich jemand zutraut, mit so einer Situation umgehen zu können, ist er sicher sehr gut beraten, da mitzumachen, weil das Sympathien bringt. Es geht mir ja auch nicht darum, alle abzuschießen, sondern wenn was Schönes zurückkommt, dann soll das natürlich auf Sendung gehen. Wenn's ein sehr bekannter Politiker ist, dann werden wir alles versuchen, um ihn oder sie zu einer Stellungnahme zu bewegen, und wenn wir sie nicht bekommen, kann's schon mal passieren, dass wir über mehrere Wochen zeigen, dass wir uns in der Verfolgungsphase befinden.

Peter Klien

STANDARD: Sie unterrichten ja weiterhin Griechisch für Philosophen an der Uni Wien. Welche Rückkoppelungseffekte gab es da?

Klien: Es kommen noch mehr Leute, und die, die kommen, sind auf einmal sehr, sehr gewillt zu lachen. Egal, was ich sage, vieles wird als humorvoll wahrgenommen. Wobei ich mich ja bemühe, das etwas zu trennen. Komik und Wissenschaft. Mir geht's an der Uni nicht darum, mit Pointen zu punkten, klar gibt's ab und zu eine launige Bemerkung, das ist in mir.

STANDARD: Auf Ihrer Homepage steht: "Lese noch immer gern altgriechische Texte". Welche?

Klien: Platon. Ich lese nur Platon, rauf und runter. Ja, ich bin ergebener Platon-Jünger.

STANDARD: Was erzählt uns Platon für heute?

Klien: Na ja, Platon erzählt nur von Sokrates, und der ging herum und fragte die Leute wahnsinnige Sachen, um auf die Wahrheit zu kommen. Von Sokrates heißt es, er hat die Philosophie aus dem Weltall auf die Erde gebracht, er war der Erste, der sich um die Dinge des Lebens – Wie soll man richtig leben? Wie wird man ein glücklicher Mensch? – gekümmert hat. Bei Platon wird daraus eine Konzeption der Seele, was ist sie, wie lebt sie? So wie er über den Menschen und unser Dasein redet, bewegt mich das sehr. Ist das jetzt total irre, was ich sage? (lacht)

STANDARD: Total irre ist gut. Sie sind auch Sprecher des Bibliothekenverbunds: Was sollten die Standard-Leser im Sommer unbedingt lesen?

Klien: Immer nur Platon. (lacht)

(Lisa Nimmervoll, 1.7.2017)