Um 1970 befasste sich Gerhard Richter in "Grauen Bildern" mit der Auslöschung des Bildes respektive der Farbe. 1984, als er dieses "Abstrakte Bild" malte, lag diese Phase hinter ihm.

Foto: Gerhard Richter

Krems – Die Kunsthalle Krems ist zurück: Nach einem Jahr der Generalsanierung lud das Haus am Samstag zum "Reopening". Zum Neustart gibt es ein Feuerwerk, keines im pyrotechnischen Sinne jedoch, sondern eines der Formen und Farben. Die erste große Ausstellung unter dem neuen Direktor Florian Steininger ist eine üppige Überblicksschau bezüglich der abstrakten Malerei seit den 1960er-Jahren, Abstract Painting Now! heißt sie.

Der Auftakt der Schau ist noch Grau-in-Grau, mit einer Fotoabmalung Gerhard Richters von 1968, die von ausgeprägter Skepsis an persönlicher Handschrift und Ausdruck erzählt. Rasch tut sich dann jedoch jene große Vielfalt an Strategien auf, mit denen Maler in den vergangenen Jahrzehnten nach (Neu-)Definitionen ihres Metiers suchten. So finden sich im ersten Raum auch ein graffitoeskes Tableau Albert Oehlens und ein buntes Gitter Günther Förgs aus den 1990er-Jahren.,

Ohne Chronologie

Beigefügt ist dem grauen Bild Richters aber auch ein in den Nullerjahren entstandenes von Herbert Brandl, das mit seiner Wolkigkeit auf ganz ähnliche Weise wirkt: ein Beispiel für die Verbindungslinien, die Steiniger in der von ihm kuratierten Schau abseits der Chronologie sucht.

Tatsächlich durchstreift man in den nach der Sanierung "luftiger" anmutender Räumlichkeiten der Kunsthalle eher Themenfelder, etwa zu geometrischer, neokonstruktivistischer Kunst, wo Sean Scully auf die 1974 geborene Wiener Künstlerin Svenja Deininger trifft. Weitere Abschnitte widmen sich dem Verhältnis der Maler zur Natur (mit Martha Jungwirth und Franz Grabmayr, aber auch Per Kirkeby) oder der Hinwendung zum Ornament. Hier findet neben einem auf Blumenumrissen beruhenden Bild Philip Taaffes dann auch ein auf ein Druckraster verweisendes von Sigmar Polke Platz.

Sehr wirkungsvoll nehmen sich inmitten der bunten Vielfalt jene Ansätze aus, die auf Reduktion setzen. Von ungemeiner Bannkraft ist hier etwa ein Duett zweier monochromer Farbtafeln Günter Umbergs. Herrliche Sinneserlebnisse bietet aber auch die feine Textur auf einem Red Painting Joseph Marionis oder auf einem Bild Jason Martins, dessen dunkle, gebürstete Oberfläche ähnlich einer Schallplatte schillert.

Ungemeine Bannkraft

Einen Abschluss von Abstract Painting Now! bildet ein geometrisches, grelles Bild Peter Halleys: ein letztes Statement in Neon, bevor es "zurück" in Schwarz-Weiße-Sphären geht, in die Personale von Tobias Pils im Oberlichtsaal nämlich. Der 1971 in Linz geborene Künstler zeigt ein monumentales Wandbild aus neun Tafeln, deren grauer Malgrund an die Optik von Sichtbeton erinnert. Am oberen Rand finden sich – ein Verweis auf Klimts Beethovenfries – drei Frauenfiguren, comichaft und schwanger. Darunter zeigen sich zwischen Akkuratesse und Verschwommenheit changierende Geometrien, die man etwa als Bezugnahmen auf die Architektur verstehen könnte, wie Kuratorin Verena Gamper vorschlägt. Bestrickende Wirkung tut, während man Pils' Monumentalbild erkundet, jedenfalls die Beleuchtung mit Tageslicht, die hier nach der Sanierung möglich geworden ist.

Die Leerstellen in der Kirche

Die dritte Ausstellung findet in der Dominikanerkirche statt, die ab nun einmal jährlich von der Kunsthalle Krems bespielt wird. In der Personale Transposition and Reproduction sei es Sébastien de Ganay darum gegangen, "spirituelle Leerstellen" des säkularisierten Baus zu erkunden, spürbar zu machen, "was früher da war", so Kurator Andreas Hoffer.

Dem lauschend, was dem Raum eingeschrieben ist, bildete de Ganay dann etwa Säulen in verkürzter Form nach, macht deren Querriss nun auf neue Art erlebbar. Zudem verlegte er eine Nachbildung des Kirchenbodens aus der Kathedrale von Amiens, dessen Labyrinthmuster als eine Art alternativer Pilgerweg fungiert.

Angesichts einzelner, gar expliziter Arbeiten in der stimmungsvollen Schau könnte man aber auch ironische Spitzen darauf vermuten, wie stark das Wort vom "Eingehen auf den Raum" heute strapaziert wird. Etwa, wenn de Ganay in einen Stapel von Fußmatten ein Loch in Form des Kirchengrundrisses schnitzte – um auf die reinigende Wirkung religiöser Rituale zu verweisen. (Roman Gerold, 3.7.2017)