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"Absolut entscheidend" für den Erfolg eines Unternehmens sei die Persönlichkeit des Gründers, sagt Keith Miller, der Educational-Leadership lehrt.

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Unternehmertum lernen? Dazu brauche es neben der Theorie unbedingt auch die Praxis.

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Miller: "Niemand hat alle Antworten. Erfolgreiche Entrepreneure hören gut zu, was andere ihnen zu sagen haben."

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STANDARD: Wie stark hängt der Erfolg eines Start-ups von der Persönlichkeit des Gründers ab?

Miller: Sie ist absolut entscheidend.

STANDARD: Sie schreiben von Bescheidenheit als wichtige Eigenschaft: "Ein guter Unternehmer solle bescheiden sein und bleiben."

Miller: Genau, denn Bescheidenheit ist eng verknüpft mit der Bereitschaft, anderen mit Respekt zu begegnen und offen für ihre Ideen und Vorschläge zu sein. Niemand hat alle Antworten. Erfolgreiche Entrepreneure hören gut zu, was andere ihnen zu sagen haben.

STANDARD: Welche anderen Charakterzüge sind wichtig?

Miller: Man muss in der Lage sein, sich an neue Situationen anzupassen, und offen für Veränderung bleiben. Zeiten ändern sich, die Bedürfnisse der Gesellschaft ändern sich mit. Damit man sie stillen kann, müssen Produkte ständig weiterentwickelt werden. Unternehmer brauchen zudem ein gutes Durchhaltevermögen. Sie müssen auch bereit sein, Dinge auszuprobieren und Fehler zu machen. Lernfähigkeit ist ebenfalls wichtig.

STANDARD: Ist das erlernbar?

Miller: Auf jeden Fall. Aber nicht allein in einer Vorlesung, also nicht allein in der Theorie. Die braucht es natürlich auch. Aber erst durch die praktische Anwendung übt man.

STANDARD: Studien zeigen, dass sich die Anforderungen an die Gründer ändern, sobald das Unternehmen wächst. Dann muss der kreative Techexperte zum guten Chef und Krisenmanager werden.

Miller: Wenn ein Start-up beispielsweise weniger als zehn Mitarbeiter hat, kümmern sich die Gründer meist viel um Produktion, Marketing oder Service. Sie sind etwa auch für die Finanzen zuständig, stellen neue Mitarbeiter ein, erledigen eine Menge Papierkram. Aber wenn die Organisation wächst und plötzlich 50 oder gar 100 Mitarbeiter hat, können sich die Gründer nicht mehr um alle diese Dinge selbst kümmern. Sie brauchen ein Team, das das für sie erledigt. Stattdessen müssen sie in die Rolle des Managers und Chefs schlüpfen. Und dazu benötigen sie ein ganz anderes Set an Skills sowie Adaptionsfähigkeit.

STANDARD: Nun zum Wissen für den Job. Sie haben in einer Studie evaluiert, was künftige Entrepreneure an Universitäten gelehrt werden sollten. Was ist das Ergebnis?

Miller: Sie müssen lernen, wie sie einen Businessplan erstellen, die Stärken und Schwächen ihrer Organisation abzuschätzen. Sie müssen beigebracht bekommen, den Markt zu analysieren und die Konkurrenz, die sie haben werden. Ebenfalls wichtig: wie man Menschen führt und managt, damit man ihre Produktivität steigern kann. Neben Finanzwissen ist auch jenes zum Vermarkten und Verkaufen wichtig.

STANDARD: Können nicht Absolventen wissenschaftlicher Studien trotzdem gute Entrepreneure sein? Es gibt schließlich einige erfolgreiche Unternehmer, die nie eine spezielle Ausbildung abgeschlossen haben.

Miller: Ja, können sie. Wissenschafter – seien es nun Sozial- oder Naturwissenschafter, um zwei Beispiele zu nennen – sind oft sehr kreativ und denken innovativ. Sie wissen mehr über ihre Disziplin als irgendjemand anderes. Wichtig für sie wäre allerdings, sich für ihr Team Personen zu suchen, die andere Skills mitbringen.

STANDARD: Gibt es ein Land, das als Vorbild in puncto Entrepreneurship-Education dienen kann?

Miller: In den USA und in Europa etwa wird mit verschiedenen Konzepten experimentiert. Es gibt viele Best Practices in verschiedenen Teilen der Welt. Was ich derzeit versuche, ist, sie zusammenzutragen, sodass wir irgendwann künftige Entrepreneure bestmöglich ausbilden können. Optimal ist, wenn jemand an der Universität alles lernt, was er braucht – Finanzwissen, Businessplan erstellen -, und nach der Gründung eines Start-ups von Mentoren weiterbegleitet wird.

STANDARD: Wann sollte Entrepreneurship-Education beginnen?

Miller: In der Universität ist es früh genug. Die Schule ist dafür da, Lesen, Schreiben, Rechnen zu vermitteln. Kinder müssen dort lernen, wie sie mit anderen umgehen. Das ist die Basis, die wichtig ist für alles andere.

STANDARD: Unternehmerische Fähigkeiten sind doch auch in jedem anderen Job, ebenso wie im Alltag, von größtem Nutzen.

Miller: Sie sind für die Arbeit in Konzernen äußerst wichtig. Technologien haben viel verändert. Auch große Konzerne müssen sich anpassen, um zu bestehen. Dazu brauchen sie Mitarbeiter, die aufgeschlossen und innovativ sind. Im Alltag sind diese Fähigkeiten insofern nützlich, als dass sie helfen, anderen Menschen zuzuhören, ihren Sorgen, ihren Bedürfnissen. (Lisa Breit, 6.7.2017)