Mit Experimenten in Vakuumkammern wollen die Physiker der Dunklen Energie auf die Spur kommen – bisher allerdings vergebens.

Foto: University of Berkeley

Wien/Berkeley – Aus astronomischen Beobachtungen haben Kosmologen geschlossen, dass sich unser Universum immer schneller ausdehnt. Die Triebfeder dieser Beschleunigung ist bis heute unentdeckt geblieben, weshalb sie von den Forschern als "Dunkle Energie" bezeichnet wird. Sie soll immerhin 68 Prozent unseres gesamten Universums ausmachen, während die sichtbare Materie, also Galaxien, Sterne, Planeten, Gaswolken, etc., insgesamt nicht einmal fünf Prozent beiträgt.

Auf der Suche nach dieser "Dunklen Energie" haben Wissenschafter in einem speziellen Experiment mit einer um den Faktor 100 erhöhten Messgenauigkeit gegenüber vorangegangenen Projekten hingeschaut – und wie bisher erneut nichts gesehen. Die Forscher sind darüber allerdings alles andere als enttäuscht, im Gegenteil: Damit lässt sich die Existenz von zwei Kandidaten für die "Dunkle Energie" bis auf einen kleinen Bereich ausschließen, berichten sie im Fachjournal "Nature Physics".

Quintessenz-Theorie

Wann immer die Wissenschaft etwas nicht erklären kann, greift sie zu Hilfskonstrukten. Eine solche Krücke für die "Dunkle Energie" ist die sogenannte "Quintessenz". Unter diesem Begriff werden verschiedene Theorien zusammengefasst, die die "Dunkle Energie" als ein das ganze Universum ausfüllendes Energiefeld ansehen.

Wie meistens bei solchen Theorien gibt es Probleme damit und Erklärungsversuche dafür. Etwa bei der Frage, warum man denn die Quintessenz auf der Erde noch nicht nachweisen konnte, wenn sie doch den gesamten Kosmos ausfüllt. Als Erklärung dafür hat man sogenannte "Chamäleonfelder" postuliert. Demnach passt sich das Quintessenzfeld wie ein Chamäleon seiner Umgebung an: Ist wenig Materie da, wie in den Weiten des Universums, entfaltet es seine ganze Energie. Ist dagegen viel Materie da, wie auf der Erde, hat es nur wenig Einfluss auf sein Umfeld und ist daher nur schwer nachweisbar.

Suche nach dem Chamäleonfeld

Zur Überprüfung dieser Theorie versuchen Physiker seit einigen Jahren, diesen geringen Einfluss dennoch zu messen. Das tun sie einerseits mit Neutronen, indem sie den Einfluss von Gravitation und möglicherweise des Chamäleonfelds auf dessen Quantenzustand möglichst präzise messen, wie dies etwa Forscher am Atominstitut der Technischen Universität (TU) Wien versuchen.

Oder sie lassen Atome in einer Vakuumkammer an einem hohlen Wolframzylinder vorbei fallen und vermessen ihre Fallbeschleunigung mit Hilfe von Atominterferometrie. Laut Theorie sollte es um den Zylinder ein Chamäleonfeld geben, das die Atome auf ihrem Weg ablenkt. Das versuchen etwa Wissenschafter in einem Experiment an der University of Berkeley (USA) nachzuweisen, an dem der österreichische Physiker Philipp Haslinger beteiligt ist.

Weder bei den Neutronen noch bei den fallenden Atomen konnten die Wissenschafter irgendeinen Einfluss feststellen – und damit einen Hinweis auf die "Dunkle Energie" finden, worüber sie vor zwei Jahren auch in den Fachjournalen "Science" und "Physical Review Letters" berichteten.

Hunderfache Messgenauigkeit

Haslinger hat nun gemeinsam mit Matt Jaffe und Holger Müller an der University of Berkeley die Messgenauigkeit des Experiments um mehr als den Faktor 100 erhöht. "Mit dieser Messgenauigkeit dringen wir in einen Bereich vor, in dem man bereits die Anziehung von in der Nähe befindlichen Objekten berücksichtigen muss", sagte Haslinger. So sehen sie die gravitative Beschleunigung des Wolframzylinders mit einer Masse von nur 190 Gramm, die dazu dienen soll, eine Änderung in den theoretisch vorhergesagten Chamäleonfeldern zu erzwingen.

Doch erneut fanden sich keine Hinweise auf irgendwelche anderen Kräfte außer der Erdanziehung und der Gravitationskraft des Zylinders. "Damit ist es uns aber gelungen, Chamäleonfelder als Kandidaten für die 'Dunkle Energie' bis auf einen sehr kleinen Bereich auszuschließen", so Haslinger, der mit einem Erwin-Schrödinger-Stipendium des Wissenschaftsfonds FWF in Berkeley arbeitet. Zudem konnten die Forscher in Zusammenarbeit mit Theoretikern die Daten auch nutzen, um einen anderen möglichen Kandidaten für die "Dunkle Energie" (Symmetron-Skalarfeld) zum Teil auszuschließen.

Es bleibt also nichts anderes übrig, als noch genauer hinzuschauen, obwohl dies zunehmend schwieriger wird. "Wir sind nun bereits in einem Bereich, in dem selbst kleine in der Nähe liegende Objekte gravitativ die Messung beeinflussen", so Haslinger. (APA, red, 10.7.2017)