Medojević im Wahlkampf.

Foto: AO/Bozovic

Das montenegrinische Parlament hat am vergangenen Donnerstag die Immunität des Oppositionspolitikers Nebojša Medojević aufgehoben. Er soll nun wegen des Verdachts der Geldwäsche verhaftet werden, verbarrikadiert sich allerdings seither im Parlamentsklub seiner Partei. Das Vorgehen gegen ihn sei politisch motiviert, um ihn mundtot zu machen, sagt Medojević im Interview. Hinter dem Haftbefehl gegen ihn stecke kein Geringerer als der frühere Premier und Vorsitzende der Regierungspartei DPS, Milo Ðukanović.

STANDARD: Sie verbarrikadieren sich seit vergangenem Donnerstag in den Klubräumen Ihrer Partei im montenegrinischen Parlament, um ihrer Verhaftung zu entgehen. Wer ist bei Ihnen, und wie werden Sie versorgt?

Medojević: Nachdem am Donnerstag meine Immunität vom Parlament aufgehoben worden war, organisierten meine Freunde und ich Proteste gegen dieses politisch motivierte Vorgehen. Wir sind jetzt seit sechs Tagen und fünf Nächten hier in unserem Parlamentsklub. 17 Parlamentarier leben und schlafen hier. Die Bürger unterstützen uns mit enormen Mengen von Essen und Getränken, sodass wir bereits gesagt haben: Bitte bringt uns kein Essen mehr.

STANDARD: Und wie lange werden Sie jetzt noch in den Klubräumen bleiben?

Medojević: Bis der Oberstaatsanwalt Ivica Stanković die Gesetze umsetzt und uns informiert, dass ich nicht verhaftet werde. Was den Prozess selbst betrifft, bin ich aber natürlich bereit, zu Gericht zu kommen.

STANDARD: Was wird Ihnen denn eigentlich vorgeworfen?

Medojević: Das ist ein komplett inszenierter und absurder Fall. Mein Chauffeur wurde der Geldwäsche beschuldigt, weil er Geld von Dollar in Euro umgetauscht hat. Die Herkunft dieses Geldes ist aber geklärt, alle Papiere dazu wurden vorgelegt. Staatsanwalt Milivoje Katnić hat seine Position missbraucht, um Repression gegen mich auszuüben. Es geht darum, dass ich daran gehindert werden soll, weiter öffentlich über Korruption und das organisierte Verbrechen zu sprechen.

STANDARD: Wir werden bei diesem Telefonat immer wieder gestört, ganz plötzlich bricht die Verbindung ab.

Medojević: Ja, meine Kommunikation wird ohne jegliche Gerichtsentscheidung kontrolliert, auch meine Mail-Kommunikation.

STANDARD: Sie haben gemeint, es handle sich um ein politisch motiviertes Vorgehen gegen Sie. Was meinen Sie genau damit?

Medojević: Ich habe des Öfteren über die Vorwürfe gegen den jetzigen Staatsanwalt Milivoje Katnić öffentlich geredet, was seine Rolle im Krieg 1991 und 1992 in Dubrovnik betrifft. Die Vorwürfe jetzt sind die Rache von Katnić. Zudem haben wir den früheren Premier und Vorsitzenden der Regierungspartei DPS, Milo Ðukanović, herausgefordert, und Ðukanović kontrolliert Katnić.

STANDARD: Sie denken also, dass Ðukanović hinter dem Haftbefehl gegen Sie steht?

Medojević: Ja. Zu hundert Prozent. Ðukanović verliert an politischem Einfluss, seit Duško Marković seit vergangenem Herbst Premierminister ist. Deshalb will er jetzt Konflikte provozieren, um die "politische Temperatur" zu erhöhen. Er möchte, dass die USA wieder ihn als Verhandlungspartner akzeptieren. Er möchte der Einzige sein, der für Stabilität sorgt.

STANDARD: Aber warum sollte Ðukanović gegen Sie vorgehen?

Medojević: Ich bin einer seiner bekanntesten Kritiker und spreche öffentlich über die Verbindungen zur Mafia, etwa über den Kokainschmuggel. Das Regime will alle Führer der Opposition kriminalisieren und eliminieren. Ðukanović will die Erdoğanisierung Montenegros. Es soll Stabilität ohne Demokratie geben – das Modell ist gerade sehr populär unter den Balkan-Führern. Und die westlichen Länder suchen sich solche Partner.

STANDARD: Was wird nun passieren?

Medojević: Wir warten auf die Entscheidung des Obersten Staatsanwaltes. Montenegro ist gerade erst der Nato beigetreten, und das Erste, was man nun aus diesem Land hört, ist, dass es politische Unterdrückung gibt. Das sind keine guten Nachrichten für die Nato. (Adelheid Wölfl, 4.7.2017)