Nicht nur Christian Kern, sondern auch die EU-Kommission unter Jean-Claude Juncker denkt darüber nach, wie man die Einhaltung europäischer Werte besser sichern könnte.

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Wien – Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) möchte, wie berichtet, EU-Staaten finanziell bestrafen, die rechtsstaatliche oder demokratische Grundprinzipien verletzten. Sie sollen künftig EU-Mittel nicht mehr in voller Höhe abrufen können, wie Kern am Montagabend bei einer europapolitischen Grundsatzrede erklärte.

Bei dem Vorschlag handelt es sich keineswegs um eine Einzelmeinung. Auch in einem sogenannten "Reflexionspapier" der EU-Kommission zur "Zukunft der EU-Finanzen", das vergangene Woche veröffentlicht wurde, gibt es Überlegungen in diese Richtung.

Ideen auf 40 Seiten

Einen bis ins letzte Detail ausgearbeiteten Vorschlag legte die Kommission zwar nicht vor, aber auch in dem 40-seitigen Papier wird angeregt, "die Auszahlung von EU-Mitteln vom Stand der Rechtsstaatlichkeit in den einzelnen Mitgliedstaaten abhängig zu machen". Verwiesen wird dabei auf den EU-Justizbarometer, der jährlich veröffentlicht wird und einen Vergleich der Unabhängigkeit der Justizsysteme ermöglichen soll.

Verantwortlich für das "Reflexionspapier" zeichnet EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger. Der Deutsche kann dabei auch auf Rückendeckung durch die deutsche Regierung setzen. Auch diese hat sich vor einigen Monaten für eine "Bindung an die Einhaltung der rechtsstaatlichen Grundwerte der EU" ausgesprochen.

Stimmrechtsentzug möglich

Ganz neu ist die Debatte über Sanktionen gegen "illiberale" Demokratien also nicht. Schon jetzt besteht theoretisch die Möglichkeit, Ländern, die auf Dauer schwerwiegend gegen die Grundwerte der Union verstoßen, das Stimmrecht zu entziehen. In der Praxis ist es dazu freilich noch nie gekommen. In der Regel korrigieren die Staaten nach entsprechenden Vertragsverletzungsverfahren oder Verurteilungen durch den Europäischen Gerichtshof ihre Gesetze – im Falle Ungarns ist das wiederholt passiert.

Entscheidungsfindungsprozesse dauern auf EU-Ebene allerdings in der Regel länger. Dass es bereits beim nächsten EU-Budget, wie Kern das gern forderte, zu einer Verknüpfung von Auszahlungen mit rechtsstaatlichen Prinzipien kommt, ist daher unwahrscheinlich.

Vereinheitlichung im Steuerbereich

Auf Unterstützung durch die Kommission darf Kern beziehungsweise Österreich allerdings auch noch bei anderen Punkten zählen. Die Überlegung, die Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer zu vereinheitlichen, findet sich nämlich auch im Kommissionspapier. Eine Debatte darüber gibt es freilich seit Jahren – zu einer Umsetzung ist es bisher aber noch nicht gekommen. (go, 4.7.2017)