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Im österreichischen Volleyball bleiben die Zeiten turbulent.

Foto: Reuters/Dominic Ebenbichler

Wien – Tobias Triffterer hat fast schon resigniert. Nach fast 20 Jahren als Volleyball-Schiedsrichter überlegt er, das Pfeifen aufzugeben. Ein Grund dafür: ein Spiel der zweiten Bundesliga im vergangenen Dezember und das, was danach passierte. Beziehungsweise nicht passierte. Eines sei vorweggenommen, weder Triffterer noch andere in diesem Artikel erwähnte Personen haben sich aktiv an den STANDARD gewandt. Der STANDARD hat nach Information über den im Folgenden geschilderten Vorfall beteiligte Personen befragt.

18. Dezember 2016, Sporthalle Brigittenau, Wien, Hopsagasse: Die zweite Mannschaft der hotVolleys Wien empfängt den ATSV St. Valentin. Triffterer ist erster Schiedsrichter. Die hotVolleys gewinnen 3:1, aber das ist Nebensache.

Die Partie sei, so Triffterer, ruhig verlaufen – bis zum Stand von 22:20 im zweiten Satz, Service St. Valentin. In einer Stellungnahme an Alfred Kulhanek, den Wettspielreferenten des Volleyballverbands (ÖVV), schreibt Triffterer: "Der Annahmespieler der hotVolleys macht eine Bewegung zum Ball, ich kann aus meiner Position nicht erkennen, ob er den Ball berührt oder nicht." Der Ball landet im Out. Die zweite Schiedsrichterin, die näher dran ist, zeigt an, dass der Annahmespieler den Ball berührt habe. Triffterer entscheidet dementsprechend.

"Sofort stürmt der Spieler mit einer Geste des Erwürgens auf die 2. SRin zu, schreit sie an und bedroht sie auch verbal mit dem Umbringen."

Der hotVolleys-Spieler rastet aus. Triffterer schreibt: "Sofort stürmt der Spieler mit einer Geste des Erwürgens auf die 2. SRin zu, schreit sie an und bedroht sie auch verbal mit dem Umbringen." Nur das Eingreifen der Mitspieler habe die Frau vor einem tätlichen Angriff gerettet. Triffterer schließt den Spieler für den Rest des Satzes aus.

Der Spieler nimmt auf der Straffläche Platz "und droht verbal weiterhin mit dem Umbringen". Daraufhin wird er disqualifiziert. Triffterer: "Er bleibt aber weiterhin außerhalb der Tür zum Wettkampfbereich stehen, stößt weiterhin Morddrohungen aus und macht in Richtung des Schiedsgerichts mehrfach Gesten, mit denen er das Durchschneiden der Kehle simuliert."

Spieler entschuldigte sich

Am 23. Dezember 2016, fünf Tage nach der Partie, schickt Triffterer die Stellungnahme an den Wettspielreferenten Kulhanek und in Kopie an Gerald Hölzl, den Schiedsrichterreferenten des ÖVV. Die E-Mail liegt dem STANDARD vor. Triffterer merkt noch an, dass sich der Spieler nach Ende des Matches beim Schiedsgericht entschuldigte. Dies sei aus seiner Sicht mildernd zu werten.

Mildernd heißt aber nicht, gar nicht zu ahnden. Aber genau das ist passiert. Mehr als ein halbes Jahr ist der Vorfall nun her. Die Saison ist längst vorbei. Der Spieler hat inzwischen den Verein gewechselt.

Auf Anfrage sagt Kulhanek, er habe den Vorfall beim Rechtsreferenten angezeigt. "Bisher habe ich nichts gehört." Der Rechtsreferent ist Gerald Schefcik. Der Jurist hat vor knapp zwei Monaten dafür gesorgt, dass der von fünf Landesverbänden eingebrachte Misstrauensantrag gegen den ÖVV-Präsidenten Peter Kleinmann nicht durchging. Schefcik hatte die Vollmacht des burgenländischen Vertreters nicht anerkannt. Dieser war anstelle des verhinderten Landesverbandspräsidenten erschienen.

E-Mail übersehen

DER STANDARD fragt bei Schefcik nach. Dieser behauptet von dem Vorfall in dem Spiel nichts zu wissen. "Es kann sein, dass etwas liegen geblieben ist." Er habe im Februar einen Herzinfarkt gehabt. Während des Telefonats durchforstet er seine Mails. "Ja, da ist was", sagt er. Am 23. Dezember 2016 sei eine einschlägige Mail bei ihm eingegangen. "Ich kann mich daran nicht erinnern."

In der Disziplinarordnung des ÖVV wird unter Punkt 2.8 eine Bedrohung des Schiedsgerichts wie folgt erläutert: "Dieses Vergehen begeht, wer das Schiedsgericht im Zusammenhang mit dessen Tätigkeit während oder außerhalb des Spieles in der körperlichen Sicherheit oder mit einem sonstigen Nachteil bedroht."

In der Ausschreibung der Allgemeinen Klasse 2016/17 wird der Strafrahmen für ein derartiges Vergehen definiert: "Geldstrafe und Sperre von 2 Wochen bis 1 Jahr oder 2 bis 48 Pflichtspielen." Ein relativ weiter Rahmen. Schiedsrichterreferent Hölzl kann sich an einen Vorfall wie jenen am 18. Dezember nicht erinnern. Er ist seit 40 Jahren im Schiedsrichtergeschäft. Als Anhaltspunkt nennt er einen Fall, als ein Trainer den zweiten Schiedsrichter angerempelt hatte. Dieser wurde mit einer Sperre von 18 Pflichtspielen und 1.000 Euro Geldstrafe bedingt auf zwölf Monate belegt.

Bedrohungen sind selten

Hölzl sagt, er habe im Fall der bedrohten Schiedsrichterin einmal beim ÖVV nachgefragt. "Wir haben hier keine Handhabe, wir können nur nachfragen." Es sei schon einmal schriftlich darum gebeten worden, derartige Fälle zeitnah zu entscheiden. Vom ÖVV hieße es laut Hölzl grundsätzlich, dass der Rechtsreferent ehrenamtlich sei und dieser auch anderes zu tun habe. Hölzl sagt, eine Beleidigung oder eine Bedrohung käme etwa einmal pro Saison vor. Eine deutlich spätere Sperre könnte jedenfalls wettbewerbsverzerrend sein.

Warum ausgerechnet in diesem gravierenden Fall nichts passiert ist, bleibt unklar. Die zweite Schiedsrichterin wollte übrigens nicht über den Vorfall sprechen. Triffterers Aussagen in der erwähnten E-Mail widerspricht sie nicht. Und dem Schiri ist die Lust am Volleyball ziemlich vergangen. (Birgit Riezinger, 5.7.2017)