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Die Einführung des Mindestlohns betrifft Branchen wie jene der Floristen. Ob sie bis 2020 tatsächlich zumindest 1.500 Euro verdienen, hängt aber von der Konjunktur ab, meinen Standesvertreter.

Foto: dpa/Roland Weihrauch

Wien – Das Paket für die generelle Einführung des Mindestlohns von 1.500 Euro ist geschnürt. Doch die Kritik an der Einigung, die flexiblere Arbeitszeiten aussparte, wird nicht leiser. Unter Beschuss steht vor allem die Wirtschaftskammer, die aus Sicht vieler Unternehmer einknickte. Am Dienstag kamen neue Misstöne aus den Bundesländern. Die fehlende Einigung auf flexiblere Arbeitszeiten bringe großen Schaden für den Standort, klagt Michael Strugl, stellvertretender Landeshauptmann in Oberösterreich.

"Dass aus Wahlkampfgründen eine derartige Lösung torpediert wurde, können wir nicht mittragen", meint auch Niederösterreichs Wirtschaftslandesrätin Petra Bohuslav. Beide fordern sofortiges Weiterverhandeln – ohne auf eine neue Bundesregierung zu warten. Selbst eine gesetzliche Initiative wird vom Wirtschaftsbund in dieser Frage ventiliert. Dort sind Spitzenfunktionäre derart über das Njet der Gewerkschaft in der Frage der Höchstarbeitszeit von zwölf Stunden empört, dass man hier eine Regelung abseits des traditionellen Sozialpartner-Konsenses begrüßen würde.

Realistisch erscheint das aber nicht, zumindest nicht vor den Wahlen. Die SPÖ hat kein Interesse, sich dem Vorwurf des "Lohnraubs" auszusetzen. Und für die ÖVP sieht Wirtschaftsminister Harald Mahrer das Thema erst in der nächsten Legislaturperiode auf der Agenda. Nicht gerade verbessert hat sich das Klima durch Aussagen von Gewerkschaftern – insbesondere von Vida-Chef Roman Hebenstreit –, wonach die Arbeitnehmer durch die Flexibilisierung "um hunderte Millionen Euro geprellt werden" sollen.

Rückendeckung für Leitl

Rückendeckung für das jüngste Verhandlungsergebnis geben dem Wirtschaftskammer-Präsidenten Christoph Leitl dessen Spitzenfunktionäre: Dieser habe verhindert, dass der kollektivvertragliche Mindestlohn durch einen gesetzlichen ausgehebelt und zum Spielball von Wahlkampfauseinandersetzungen werde, so ihr einhelliger Tenor. Denn im Parlament liege bereits ein Antrag auf 1.750 Euro Mindestlohn ab 2018. Die Entscheidung sei richtig gewesen, auch wenn die Arbeitnehmerseite bei den Arbeitszeiten einen Rückzieher gemacht habe.

Die Bundesspartenobleute betonen freilich, dass die Wirtschaft in Vorleistung getreten sei. Ab sofort sei die Gewerkschaft am Zug.

Dass es noch vor den Wahlen ein Übereinkommen für flexible Arbeitszeiten gibt, bezweifelt Helmut Hofer, Experte des Instituts für Höhere Studien, aber: "Die Erfahrungen zeigen, dass diese Verhandlungen viel Zeit erfordern." Überdies brauche es für die Gewerkschaft in Sachen Arbeitszeit wohl mehr Verhandlungsmasse als den Mindestlohn, der nicht die gleichen Beschäftigten betreffe. Hofer hält es für wichtig, dass auf Betriebsebene größere Freiheiten zugelassen werden. "Es ist in der Folge aber natürlich durchaus möglich, dass Überstunden wegfallen."

Sorgen im Gewerbe

Am stärksten betroffen vom flächendeckenden Mindestlohn ist das Gewerbe und Handwerk. "Entweder Konsumenten tragen diese Entscheidung mit", betont Walter Bornett, Chef der KMU Forschung Austria, mit Blick auf höhere Preise, die es brauche, um Lohnerhöhungen abzufedern, "oder Betriebe verlieren ihre Existenz".

Immer wieder hatten Gewerbe und Handwerk vor einer raschen Anhebung des Mindestlohns gewarnt und tausende Jobs in Gefahr gesehen. Am Dienstag aber sprach Renate Scheichelbauer-Schuster, Bundesspartenobfrau, von einem "guten Ergebnis der Sozialpartner", das aufgrund der vereinbarten Evaluierungsphase keine Branche überfordere. Wobei sie dann doch relativiert. Für etliche Berufe wie etwa Friseure, Floristen, Konditoren, Modetechniker seien Gehaltssteigerungen von bis zu 30 Prozent innerhalb von zweieinhalb Jahren ein enormer finanzieller Rucksack, der ihre wirtschaftliche Stabilität gefährde.

Zweistellige Millionenbelastung

Bis zu 45.000 Arbeitnehmer seien in diesen Branchen beschäftigt, rechnet Scheichelbauer-Schuster vor. Sie erwartet für die Arbeitgeber eine finanzielle Belastung im Ausmaß eines hohen zweistelligen Millionenbetrags – zumal es ja auch Parallelverschiebungen bei den höheren Einkommen gebe.

Sie bezweifelt daher, dass es den vereinbarten Mindestlohn bis 2020 quer durch alle Branchen geben wird. Wenn sich nicht auch bei kleinsten Betrieben ein Konjunkturaufschwung abzeichne, müsse die Frist verlängert werden.

Scheichelbauer-Schuster erwartet von der neuen Regierung Konjunkturimpulse. So gehöre etwa der Handwerkerbonus verlängert. Derzeit geht es fürs Gewerbe und Handwerk bei Umsätzen und Aufträgen zwar aufwärts, im Vergleich zu anderen Sparten jedoch langsam. "Die Entwicklung driftet auseinander", resümiert Bornett, der vor allem kleine Betriebe auf der Verliererseite sieht. (vk, as, 4.7.2017)