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Der britische Thronfolger Prince Charles steht bei einem Besuch in Nunavut auf einer Karte der Arktis. Blau statt weiß könnte auch in der künftigen Wirklichkeit die vorherrschende Farbe sein.

Foto: AP/Adrian Wyld/The Canadian Press

Kiel – Die Ausdehnung der Meereisflächen in der Arktis nimmt in den Sommermonaten mit jedem Jahr mehr ab. Schuld daran ist hauptsächlich der Klimawandel, darin sind sich die Wissenschafter großteils einig. Dies dürfte aber nur der Auftakt für dramatischere Entwicklungen sein: Wie eine nun präsentierte Studie zeigt, sind die stärksten Veränderungen in der Arktis jetzt und im kommenden Jahrzehnt zu erwarten.

Im letzten Herbst und Winter war es in Teilen der Arktis so warm wie nie zuvor. Bis zu 16˚ Grad Celsius höhere Temperaturen als im langjährigen Mittel wurden an manchen Tagen registriert. Dies liegt auch an der immer geringer werdenden Meereisbedeckung, die jedes Jahr im September auf der Nordhalbkugel ihr Minimum erreicht. Dieser Rückgang ermöglicht eine immer stärkere Erwärmung des Meerwassers im Sommer und verzögert so zunehmend das Einsetzen der Eisbildung im Herbst. Letztere führt dann wieder zu dünnerem Eis zu Beginn des nächsten Sommers, das damit schneller und früher schmilzt: ein Teufelskreis.

Große Veränderungen nahen

Zwei Wissenschafter von der Johns Hopkins University in Baltimore, USA und vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel haben mit Analysen von Beobachtungsdaten und Modellrechnungen gezeigt, dass sich die stärksten Veränderungen des nordhemisphärischen polaren Ozeans jetzt und in den kommenden zehn Jahren abspielen werden und nicht erst in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts, für die die Klimamodelle vollständige Meereisfreiheit in den Sommermonaten vorhersagen.

"Beobachtungen zeigen einen raschen Wandel von einer ganzjährigen Meereisbedeckung zu einem im Sommer bereits in weiten Teilen eisfreien Arktischen Ozean innerhalb weniger Jahrzehnte. Für das Klimasystem ist das ein hohes Tempo", erläutert Thomas Haine, Erstautor der Studie, die nun in der Fachzeitschrift "Scientific Reports" erschienen ist. "Das arktische Meereis ist nun genauso saisonal, wie wir es vom antarktischen seit Beginn von Beobachtungen kennen", so Haine weiter.

Arktis und Antarktis im Vergleich

Um die Meereisschwankungen in der Arktis und der Antarktis besser vergleichen zu können, haben die Autoren einen neuen Saisonalitäts-Index definiert. Diesen berechnen sie für das 20. und 21. Jahrhundert mit Hilfe von Rekonstruktionen und Satellitendaten der Meereisbedeckung beider Hemisphären und nutzen die Ergebnisse einer international koordinierten Modelstudie (CMIP – Coupled Model Intercomparison Project) für die Beurteilung der zukünftigen Entwicklungen.

"In unserer Studie zeigen wir, dass die derzeit schnellere Erwärmung der Arktis im Vergleich zum globalen Mittel, auch 'Arctic Amplification' genannt, zeitlich nicht konstant ist und voraussichtlich im nächsten Jahrzehnt langsam wieder abnehmen wird. Der gerade stattfindende Übergang zu einer saisonalen Eisbedeckung ist einer der Gründe oder sogar ursächlich für diesen Spitzenwert der Arctic Amplification verantwortlich", so Torge Martin, Zweitautor der Studie.

Dass heißt, die Erwärmungsrate – nicht die Erwärmung selbst – dürfte in Zukunft langsam wieder abnehmen. "Wir nehmen deshalb an, dass wir derzeit und in den kommenden zehn Jahren den extremsten Teil der Veränderungen insbesondere im maritim geprägten Teil der Arktis unter anthropogenem Klimawandel erleben werden – und nicht erst in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts", meint Martin weiter. Der Wandel zur neuen Arktis vollzieht sich jetzt, so das Resümee der Autoren. (red, 5.7.2017)