Außenminister Sebastian Kurz soll die Studie über islamische Kindergärten manipuliert haben.

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Studienautor Ednan Aslan beharrt darauf, dass alle Änderungen in seinem Text mit ihm abgesprochen oder von ihm beauftragt worden seien.

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Wien – Wiens Bürgermeister Michael Häupl gab sich "entsetzt" darüber, "dass man mit solchen Methoden Wahlkampf macht". Die Verantwortung für die Änderungen bei der Studie zu den islamischen Kindergärten liegt für Häupl klar bei Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP). Es spiele letztlich keine Rolle, ob die Beamten des Ministeriums oder Studienautor Ednan Aslan "auf Druck der Beamten" die Studie zu den islamischen Kindergärten inhaltlich verändert hätten.

Die Wiener Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou von den Grünen sagt: "Tiefer geht es nicht mehr." Falls sich bestätigen sollte, dass die Studie umgeschrieben wurde, müsse es Konsequenzen für die Betroffenen geben. "Diese Art von Politik – unter Anführungszeichen – zersetzt die Demokratie. Sie ist wirklich Gift für Österreich", kritisierte Vassilakou.

Nicht persönlich verwickelt

Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) stellte sich am Mittwoch allerdings hinter Kurz. Er zeigte sich überzeugt, dass der ÖVP-Obmann nicht persönlich in Manipulationen verwickelt sei – und stellte damit die Manipulationen erst recht in den Raum.

Das Ministerium selbst weist die Vorwürfe mit allem Nachdruck zurück. Die Studie, in der zum Teil schwere Kritik an den islamischen Kindergärten geäußert wird, sei nicht manipuliert worden, alle Änderungen seien in Absprache oder auf Anordnung von Studienautor Aslan erfolgt. Fast 900 Änderungen sind in den Korrekturen, die der "Falter" zum Teil veröffentlicht hat, dokumentiert.

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Vom Ministerium beauftragt

Die überwiegende Zahl betreffe Grammatik, Satzbau oder Satzzeichen, nur 35 Änderungen seien inhaltlicher Natur. Zum Teil seien Aussagen aus der Vorstudie wieder eingefügt worden, jedenfalls habe Aslan die Studie abgenommen und für gut befunden. Die Änderungen, so argumentiert das Ministerium, seien notwendig gewesen, weil bei der Abnahme der Studie auch auf bestimmte Qualitätskriterien geachtet werden müsse. Die Studie war vom Außenministerium in Auftrag gegeben worden, das Honorar belief sich auf 36.000 Euro.

Der Verdacht der Manipulation war aufgekommen, weil Aussagen verschärft worden oder relativierende Darstellungen verschwunden waren. Andere Passagen wurden nur im Text verschoben.

Selbst beauftragt

Aslan selbst hatte sich – vom "Falter" darauf angesprochen – in einer ersten Reaktion über die Masse der Änderungen verwundert gezeigt, später aber behauptet, er habe die Änderungen selbst in Auftrag gegeben.

Aslan ist österreichisch-türkischer Professor für islamische Religionspädagogik an der Universität Wien, er hat sich auf das Gebiet der religiösen Erziehung muslimischer Kinder spezialisiert und steht dem radikalen Islam äußerst kritisch gegenüber. Aslan, der selbst Sunnit ist, hält die "Theologie der Gewalt" für eine der Ursachen des islamistischen Terrorismus. In der islamischen Gemeinschaft hat Aslan offenbar eine große Gegnerschaft. Er tritt gegen die religiöse Erziehung auf, wenn sie zu "einer religiös-politisch begründeten Isolation" führt.

Kritik an Aslan kam am Mittwoch auch von der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, die ihm vorwirft, die "Rufschädigung einer ganzen Bevölkerungsgruppe" anzuzetteln. "Musliminnen und Muslime dürfen nicht zum Spielball politischer Interessen gemacht werden", heißt es in einer Aussendung.

Politische Interessen

Bei Aslans Arbeit handle es sich um eine vom Integrationsministerium bestellte Studie, "die gewissen politischen Interessen nutzbar gemacht werden sollte". Inhaltliche Änderungen seien vorgenommen worden, um "bestehende Ressentiments in Feindbilder" umzuwandeln.

Der österreichische islamische Theologe Mouhanad Khorchide nimmt Aslan in Schutz. Die Studie weise auf alarmierende Zustände in manchen Kindergärten hin. Statt sich damit auseinanderzusetzen, werde "mit aller Wucht versucht, die Wissenschaftlichkeit der Studie und die Loyalität des Wissenschafters zu seiner Glaubensgemeinschaft infrage zu stellen".

Dass die Studie nach den Wünschen von Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) ausgerichtet wurde, wies Aslan am Donnerstag in einem "Heute"-Interview zurück: "Diese Studie hat nicht mit Herrn Kurz angefangen. Sie wurde 2014 mit der Stadt Wien gestartet, das ist ja alles schriftlich belegbar. In letzter Sekunde hat die Stadt Wien den Vertrag für die Studie einfach und ohne Begründung abgelehnt. Unser Wunsch war einfach, das Projekt mit dem Integrationsministerium weiterzuführen."

Die bevorstehende Prüfung der Studie durch die Universität Wien sei sein eigener Wunsch gewesen, erklärte Aslan weiter. "Ich habe überhaupt keinen Zweifel daran, dass meine Studie dem wissenschaftlichen Standard entspricht." (Michael Völker, 5.7.2017)