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Für Schuldner von Frankenkrediten könnten sich auf dem Rechtsweg Chancen auf Schadenersatz ergeben.

Foto: dpa/Patrick Seeger

Wien – Vor rund drei Monaten wurde der Verein Frankenfrei ins Leben gerufen. Der Verein will Betroffene finden, die zum Thema Aufhebung des Franken-Mindestkurses falsch oder nicht beraten wurden, Der Standard hat berichtet. Fast 400 Kreditnehmer haben sich bisher gemeldet. "Die Prüfung der Fälle läuft auf Hochtouren", sagt Rechtsanwalt Gerald Waitz, der aufgrund der hohen Anzahl die Kapazitäten in seiner Kanzlei aufgestockt hat.

Bei der Prüfung der Fälle ist der Rechtsexperte nun auf zwei Themenbereiche gestoßen, bei denen er ebenfalls Hoffnung hegt, dass geschädigte Kreditnehmer Schadenersatz einfordern können. Zur Erinnerung: Am 15. Jänner 2015 hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) überraschend den Euro-Mindestkurs von 1,20 Franken aufgehoben. Und das, obwohl noch wenige Tage zuvor der Chef der SNB, Thomas Jordan, via Aussendung bekräftigt hatte, dass die SNB den Mindestkurs aufrechterhalten werde. In der Folge ist der Franken rasant gestiegen, die in Franken aufgenommenen Schulden haben sich massiv erhöht.

· Fall 1: Stop-Loss-Limit Damit Kreditnehmer bei einer Änderung oder Aufhebung des Franken-Mindestkurses eben keine solche Erhöhung erfahren, wurde vielen von ihren Beratern empfohlen, ein sogenanntes Stop-Loss-Limit zu setzen. In der Theorie klingt dieses Limit gut. Man legt einen Zielkurs fest, wird dieser erreicht, wird der Kredit automatisch in eine Euro-Schuld konvertiert. Das Verlustrisiko sieht damit berechen- bzw. begrenzbar aus.

In der Praxis bedeutet dieses Limit aber leider nicht, dass die Konvertierung tatsächlich zum vereinbarten Kurs stattfindet. Erst zum nächsten handelbaren Kurs wird eine Order ausgeführt. Dieser Kurs kann auch weit unter dem vereinbarten Limit stattfinden. Denn die Setzung einer Zielmarke bedeutet nur, dass eine Aktion in Gang gebracht wird – stellt aber nicht sicher, dass sie zum vereinbarten Kurs durchgeführt wird.

Nicht aufgeklärt

So ist es auch bei den Frankenkrediten passiert. Statt beim Stop-Limit von 1:19 ist die Konvertierung bei vielen Kunden erst bei 1:1 und darunter passiert, woraus sich ein realisierter Schaden in oft beträchtlicher Höhe ergeben habe. Der Grund dafür ist, dass der Kurs ob der auch für den Markt überraschenden Aufhebung der Mindestsicherung durch die SNB sich eben nicht langsam, sondern rasant verändert hat.

Weil Kunden beim Abschluss ihrer Stop-Loss-Limits über das damit verbundene Risiko in vielen Fällen nicht aufgeklärt worden sind, ortet Waitz hier Chancen für betroffene Kreditnehmer. Doch in diesem Punkt drängt die Zeit. Denn eine Klage mit Schadenersatzforderung (bzw. eine Feststellungsklage) muss spätestens drei Jahre ab Kenntnis des Schadens eingebracht werden. Daher müssen entsprechende Anträge bis 15. Jänner 2018 eingebracht werden. Eine Musterklage zum Thema Stop-Loss ist jedenfalls in Vorbereitung. Ein Prozessfinanzierer hierfür ist mit LVA 24 gefunden, die diesbezügliche Kooperation abgeschlossen.

Bei LVA 24 läuft bereits eine Klage zum Thema Rückabwicklung von Lebensversicherungen, was Teil der zweiten Chance ist, die Waitz für Kreditnehmer sieht. Hierbei geht es um folgenden Sachverhalt:

· Fall 2: Tilgungsträger Fremdwährungskredite wurden in den meisten Fällen in Kombination mit einem sogenannten Tilgungsträger abgeschlossen – meist eine Lebensversicherung, klassisch oder fondsgebunden. Die Idee dahinter war, dass mit dem Tilgungsträger über die Jahre Kapital aufgebaut wird, mit dem am Ende die offene Kreditschuld getilgt wird.

Aufgegangen ist die Idee nicht wirklich. Denn vor allem im Zuge der Finanzkrise sind die Börsen nach unten gerauscht, was dazu geführt hat, dass Kapital nicht wie gedacht aufgebaut werden konnte. Die Tilgungsträger gerieten mehr und mehr unter Wasser, weshalb Banken von ihren Fremdwährungskreditkunden zusätzliche Besicherungen gefordert haben.

Rücktrittsrecht

In einem OGH-Urteil aus dem Vorjahr wittert Anwalt Waitz nun Chancen für Fremdwährungskreditnehmer. Das Urteil, das vom Verein für Konsumenteninformation erstritten wurde, bezieht sich auf die Beratung zum Rücktrittsrecht beim Abschluss einer Lebensversicherung. Eine EU-Richtlinie schreibt vor, dass Berater die Kunden beim Abschluss einer Lebensversicherung darüber aufklären müssen, dass der Kunde den Vertrag innerhalb von vier Wochen ohne Angabe von Gründen wieder kündigen kann.

Dass über dieses Rücktrittsrecht belehrt wurde, muss schriftlich festgehalten und in der Polizze vermerkt werden. Es gibt Fälle, in denen solch eine schriftliche Belehrung fehlt oder die Frist von vier Wochen nicht (oder falsch) angegeben wurde. Daher entschied der OGH, dass im Falle einer unrichtigen oder unvollständigen Beratung der Rücktritt unbefristet möglich ist. Das Einbezahlen der Prämien – auch über Jahre hinweg – ist laut OGH kein Eingeständnis, dass der Vertrag aufrecht ist, weil der Kunde ja bereits beim Abschluss falsch oder nicht belehrt wurde. Die Folge: Die Lebensversicherung muss rückabgewickelt werden. Versicherungen müssen dann dem Kunden die einbezahlten Prämien rückerstatten und dürfen nicht nur den errechneten Rückkaufswert auszahlen.

Warum ist das jetzt bei den Fremdwährungskrediten ein möglicherweise relevantes Thema? "Weil die Lebensversicherung ja oft wegen des Kredits abgeschlossen wurde bzw. man den Kredit ja nur mit entsprechendem Tilgungsträger erhalten hat", erklärt Waitz. Weil Kredit und Lebensversicherung "verbundene Geschäfte" sind, stellt sich die Frage, was mit dem Kredit passiert, wenn Kunden wegen falscher Rücktrittsbelehrung aus ihrem Tilgungsträger aussteigen können.

Eine gerichtliche Entscheidung gibt es hierzu noch nicht. Waitz erklärt, dass sich in der Fachliteratur allerdings die Meinung formt, dass im Fall der Rückabwicklung der Lebensversicherung auch der damit verbundene Fremdwährungskredit rückabwickelbar sein müsste. Dass die zwei Produkte – Versicherung und Kredit – miteinander verbunden sind, zeigt sich für Waitz schon allein aus der Tatsache, "dass Banken bei schlechter Performance des Tilgungsträgers eine Nachbesicherung gefordert haben". Die Banken hätten damit selbst die untrennbare Verbindung der beiden Produkt offengelegt. Diesen Sachverhalt will Waitz nun mit einem Rechtsgutachten prüfen.

Erste Klagen auf dem Weg

Und wie ist der Stand bei jenen Kreditnehmern, die sich an Frankenfrei gewandt haben, weil sie wegen der Folgen, die die Aufhebung des Mindestkurses mit sich gebracht hat, Chance auf Schadenersatz erhoffen? Von den rund 100 Fällen, die bereits geprüft werden konnten, fallen laut Waitz knapp 90 in das Muster. Dort, wo die Rechtschutzversicherung mitmacht, wurden die involvierten Banken bereits angeschrieben. "Bisher gab es von den Instituten jedoch durchwegs eine ablehnende Haltung auf den Vorschlag eines außergerichtlichen Vergleichs", sagt Waitz. Daher würden nun erste Klagen eingebracht.

"In Summe sind die Leute bereits sehr verzweifelt", fasst Waitz zusammen. Denn ein großes Thema ist für viele Betroffene freilich die Frage, wie sie ihr Vorgehen gegen die Bank finanzieren. Mit der Kooperation mit LVA 24 kann hier nun eine Lücke geschlossen werden. Denn auch bei Rechtschutzversicherungen lohnt ein Blick in die Bedingungen: Von den Assekuranzen wurden die allgemeinen Bedingungen in den vergangenen Jahren dahingehend abgeändert, dass beim Abschluss einer Rechtschutzversicherung es zu einem Ausschluss kommt, wenn der Abschluss wegen einer Finanzierung im Zusammenhang mit dem Bau eines Gebäudes oder dem Ankauf einer Liegenschaft einhergeht, auf das ein Gebäude errichtet werden soll. Das trifft freilich auf viele betroffene Fremdwährungskreditnehmer zu.

Wer sich auf die Aufgabe der Mindestbindung und der damit nicht oder mangelhaft gebotenen Beratung berufen will, muss ebenfalls bis 15. Jänner 2018 aktiv werden – andernfalls greift hier auch die Verjährung.

Chancen aus diesem Titel haben laut Waitz auch Kreditnehmer, deren Kredit erst in Zukunft fällig wird und erst dann klar sein wird, ob sie einen Schaden erlitten haben. Um etwaige Schadenersatzansprüche abzusichern, müsse aber ebenfalls bis zum Stichtag im Jänner eine Feststellungsklage eingebracht werden. Werde dieser stattgegeben, werde ein Schaden dann bei Fälligkeit eruiert und gegebenenfalls ausgeglichen. (Bettina Pfluger, 6.7.2017)