Microsoft erwarb alle Rechte für "Bliss" – deshalb avancierte das Foto zum zweitteuersten aller Zeiten

Foto: Microsoft

Charles O’Rear war im Jänner 1998 am Weg zu seiner Freundin, als er eine idyllische Szenerie vorfand: Hügel voll saftigem Gras, darüber ein tiefblauer Himmel mit einigen weißen Wolken. Als professioneller Fotograf – etwa für "National Geographic" – erkannte O’Rear, dass er ein perfektes Motiv vor sich hatte. Er zückte seine Kamera und machte ein paar Aufnahmen, die eigentlich für ein Buch mit seiner späteren Ehefrau über den Weinanbau in der Region gedacht war. Aus diesen Bildern sollte jedoch eines der meistgesehenen und teuersten Fotos aller Zeiten hervorgehen. Denn einige Jahre später bekam O’Rear einen Anruf von Microsoft, das eine der Aufnahmen als Desktop-Hintergrundbild für Windows XP verwenden wollte.

Nicht nur Himmelsaufnahmen

Ausgewählt hatte das Foto das Künstlerduo Goldin+Senneby, das dafür etwa die ausgerechnet von Bill Gates gegründete Fotoplattform Corbin durchsuchte. Sie wollten ein Foto finden, das nicht nur aus Himmelsaufnahmen bestand, berichtet Artsy.net, das zur Entstehung des Hintergrundsbildes recherchiert hat. Die Kombination aus Grün und Blau in der Bildkomposition habe außerdem perfekt zum Design von Windows XP gepasst.

Dieselbe Szene mit Weinanbau, acht Jahre später
Foto: [CC; BY-SA 3.0], Wikimedia Commons - Simon Goldins, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/

Doch nach dem erfolgreichen Kauf gab es plötzlich unerwartete Probleme. Da es sich nach O'Rears Angaben um die zweithöchste Summe handelte, die je an einen noch lebenden Fotografen bezahlt wurde – Platz Eins belegt ein Bild von Bill Clinton und Monika Lewinsky – verlangten Versicherungsunternehmen exorbitant hohe Summen, um den Transport zu versichern. Über die genaue Summe sei Stillschweigen vereinbart worden. Deshalb lieferte O’Rear die Negative selbst bei Microsoft ab. Der Rest ist Geschichte: Das als "Bliss" betitelte Hintergrundbild war schätzungsweise (zumindest kurz) auf rund einer Milliarde Rechnern zu sehen.

Globale Zielgruppe

Teil des Erfolges sei, dass das Foto eine globale Zielgruppe ansprechen würde. Laut Goldin+Senneby hätten Nutzer den berühmten Hügel etwa in Neuseeland, Frankreich oder Irland verortet. Tatsächlich handelt es sich um eine Landschaft in Kalifornien, die eigentlich für den Weinanbau berühmt ist. Doch aufgrund einer Reblaus-Plage wurde die Weinproduktion pausiert, weshalb meilenweit Rasenflächen zu sehen waren.

"Die Idee, dass alle Nutzer ein Standardbild als Hintergrund haben, wirkt heute so altmodisch", sagen Goldin+Senneby laut Artsy, "sie stammt aus einer Zeit vor sozialen Medien und algorithmischer Massenindividualisierung." O’Rear ist auf das Foto sehr stolz. Er habe es "schon überall" gesehen: "Im ‚Situation Room‘ des Weißen Hauses ebenso wie in nordkoreanischen Atomkraftwerken." (red, 16.7.2017)