Strategien der Verführung von Mann und Frau sind es, die Mario Testino in seinem programmatischen, "Undressed" benannten Bildband präsentiert.

Foto: Doppelseite mit Wow-Effekt aus Mario Testinos "Undressed", fotografiert von Heidi Seywald

"Letztendlich ist Verführung, wie ich meine, viel interessanter als der eigentliche Sex. Verführung ist eine Art Energie, die man in unterschiedlichen atmosphärischen Situationen mit verschiedenen Leuten einsetzen kann", bekennt Mario Testino im Gespräch mit Carine Roitfeld. Verführung sei Sünde, sei Überwindung, sei Überschreitung der Grenzen, imaginärer, realer, sozialer, gesellschaftlicher Grenzen, setzt die legendäre Vogue-Chefredakteurin nach.

Für die Berliner Helmut-Newton-Stiftung haben sich die beiden auf eine interne Spurensuche begeben. Entlang Serien aus den letzten 20 Jahren loten sie aus, wie sie die Wahrnehmung und die Visualisierung von Körper, Kleidung, Körperlichkeit zwischen Porn-Chic und Schicklichkeit, Emotion und Intimität verändert haben. Das Ergebnis – in Form einer Ausstellung und eines Bildbandes – illustriert die ätherische Ästhetik einer Ära.

Im Gegensatz zu Newton, der es liebte, Models und Musen als Göttinnen und fast statuesk der Antike entstiegene Wesen zu inszenieren, tastet sich Testino Richtung Intuition vor. Ohne je dabei auf Provokation zu vergessen. En contraire. Sein Spiel mit Androgynität, sein Konterkarieren von Rollen, Transgender-Positionen und offensiver Erotik gilt für krude Maskulinität wie auch feminine Seiten. "Sex, Geschlecht, Hautfarbe, Rasse oder Religion zählen für mich nicht. Was zählt, ist die Energie einer Person." Positive Energie, fügt Testino hinzu. (Gregor Auenhammer, Album, 11.7.2017)