Ankommen kann jeder, der will. Cigarettes After Sex wollen eher nicht. Sie verlieren sich in ihrer Kunst lieber im Dazwischen und singen faule Lieder über John Wayne.

Foto: Partisan Rec.

Wien – Die Jalousien runter, das Licht dimmen, Kerzen vielleicht. Dann – Ruhe und Couching. Das scheinen angemessene Maßnahmen zu sein, um der Musik von Cigarettes After Sex adäquat zu lauschen. Im Halbdunkel gedeihen diese Songs am besten. Es sind akustische Mauerblümchen. Zart von der Welt enttäuschte Lieder, ohne die Hoffnung gleich ganz fahren zu lassen. Sogar ein Titel wie Apocalypse besitzt im Setting dieser Gruppe noch etwas Tröstliches.

CigarettesAfterSex

Cigarettes After Sex sind eine Band aus Texas. Seit bald zehn Jahren gibt es den Vierer, jetzt ist sein Debütalbum erschienen. Für einen Titel war man zu lethargisch, macht nichts. Das Album spricht für sich, und die Band wird es live beim dreitägigen Festival Out Of The Woods in Wiesen präsentieren (20. bis 22. Juli).

Cigarettes After Sex kommen aus El Paso. Das ist eine Grenzstadt, die drüben, in Mexiko, mit Juárez ihr Pedant besitzt. Dort fährt der Gringo hin, wenn er sich die Zähne billig richten lassen will. Oder wenn er um wenig Geld eine Hochzeitsgala braucht. Juárez ist laut, dreckig und gilt als die gefährlichste Stadt der Welt.

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Auch El Paso ist keine Perle. El Paso charakterisiert eine Mischung aus Trostlosigkeit und Klischees, die sich in riesigen Outlets in ihrem Umfeld niederschlagen. Lagerhallen mit kilometerlangen Regalen voller Cowboystiefeln. Den Geruch des Leders kriegt man lange nicht aus der Nase. Hut dazu? Ein Polyesterhemd? Eine Jeanshose mit Bügelfalte?

Sich an so einem Unort einen Fluchtpunkt zu erschaffen, wirkt nachvollziehbar. Cigarettes After Sex suchen in ihrer Kunst die Ruhe, Entschleunigung nennt das der Welljargon. Die Hitze der Gegend tut ein Übriges, um Anstrengungen tunlichst zu vermeiden, man lebt in der Schuld der Klimaanlage und ist mit dem Auto verheiratet.

Geschlechtslose Stimme

Schon der Bandname hat die Aufregung hinter sich gebracht. Die Musik beginnt erst wieder um den Ruhepuls herum und inszeniert sich postkoital höhepunktlos. Da schleicht sich die Gitarre in einen Song und verliert sich gleich im Hall. Nie wurde ein Sujet wie John Wayne so lasch besungen. Schlafzimmerliche Etüden, vorgetragen mit den Lidern auf halbmast. Bloß keine Wellen. Das bleibt so. Damit gelang bereits einer Band wie Mazzy Star eine Weltkarriere, wobei der Schmollgesang von Hope Sandoval hier wegfällt, die Stimme von Greg Gonzalez etwas seltsam Geschlechtsloses besitzt.

Die Qualität dieser an der Trance geübten Musik kommt aus der Autorität der Ruhe, die einen zwingt, sich ihr hinzugeben. Nebenbeimusik ist das keine. Dazu baut sie zu sehr auf die Überzeugungskraft ihrer Atmosphäre, die feinen Nuancen im Gesang, die kaum wahrnehmbaren Tempowechsel, die Wirkung dieser speziellen Behäbigkeit, die man an schlechten Tagen Langeweile nennt. Aber Kurzweil herrscht ohnehin ständig und überall.

CigarettesAfterSex

Cigarettes After Sex setzen auf die Bereitschaft, sich Zeit für sie zu nehmen. Nimmt man sich diese, erfüllen sie den Auftrag, ihr Publikum mit sanfter Schönheit einzulullen. Dreampop, Ambient, Shoegazer, falls wer Schubladen braucht. Aber das Denken verflüchtigt sich bei dieser Musik ohnehin. In Richtung endloser Nachtfahrten über Land. Weg von hier, hin nach dort. Das Leben als Roadmovie, der Weg ist wieder einmal das Ziel. Ankommen ist banal, das kann jeder, der will. Die sanfte Renitenz des Nichtwollens, das ist die Kunst. (Karl Fluch, 11.7.2017)