Auf die Traurigkeit von Buben wird oftmals weniger Rücksicht genommen.

Foto: Getty Images/iStockphoto/Xavier_S

Seit vielen Jahren beschäftigt sich die Forschung damit, wie sich Teile unserer Sprache negativ auf die Entwicklung von Mädchen und Frauen auswirken können. Während etwa verniedlichende Anreden wie "Fräulein" heute über weite Strecken aus dem Sprachgebrauch verschwunden sind, ist es andererseits noch immer üblich, aus Männern und Frauen bestehende Gruppen einzig mit dem Maskulinum zu benennen – zum Beispiel als "Mitarbeiter". Debatten über geschlechtergerechte Sprache und ihre möglichen Auswirkungen auf gesellschaftliche Verhältnisse werden bereits seit den 1970er-Jahren geführt – und dies ist bis heute ein viel diskutiertes Thema.

Seit jüngerer Zeit beschäftigen sich nun auch immer mehr Studien mit den möglichen Effekten von stereotyper Kommunikation gegenüber Buben.

Physische Fähigkeiten werden überschätzt

Es gibt mittlerweile eine Vielzahl an Studien, die aufzeigen, dass Eltern ihre Söhne und Töchter aufgrund des Geschlechts unterschiedlich behandeln. Das betrifft verschiedene Lebensbereiche und beginnt bereits im Säuglingsalter. Ein Aspekt, der dabei immer wieder untersucht wird, ist jener, dass die körperlichen Fähigkeiten von Buben seitens ihrer Eltern häufig überschätzt werden.

Dabei kann das oft forcierte Bild des starken Mannes, der alles können muss, für heranwachsende Burschen durchaus belastend sein. So fand eine Studie letztes Jahr heraus, dass Eltern, deren Kinder sich ernsthaft verletzt hatten, ihren Töchtern bis zu viermal so oft sagten, in Zukunft besser aufzupassen, als ihren Söhnen. Und das, obwohl Buben ohnehin bereits einem höheren Verletzungsrisiko unterliegen als Mädchen.

Mütter, die man für eine Studie der New York University im Jahr 2000 zu den körperlichen Fähigkeiten ihrer elf Monate alten Babys befragte, neigten mehrheitlich dazu, ihre Söhne zu überschätzen. Bei einer Geschicklichkeitsübung, die im Anschluss an die Befragung durchgeführt wurde, zeigte sich nämlich, dass die Mütter in der Einschätzung ihrer Söhne falschlagen.

Reden über Traurigkeit

Eine weitere, kürzlich erschienene Studie der Emory University (PDF) erforschte die Unterschiede in der Kommunikation zwischen Vätern und ihren Söhnen oder Töchtern. Dabei stellte sich unter anderem heraus, dass die Väter mit ihren Töchtern mehr über Emotionen, im Speziellen über Traurigkeit, sprechen. Die StudienautorInnen nehmen an, dass Buben deshalb im späteren Leben womöglich weniger offen über ihre Gefühle sprechen wollen und es eher für sich behalten, wenn sie traurig sind.

Die teilnehmenden Väter neigten außerdem dazu, mit ihren Söhnen eher kämpferisch und wild zu spielen, und sie verwendeten vermehrt Ausdrücke, die auf das Erreichen von Zielen und Gewinnen fokussiert waren, wenn sie mit ihren Söhnen sprachen. Ihren Töchtern gegenüber verwendeten sie eher analytische Sprache – dies nannte eine frühere Studie als möglichen Grund dafür, dass Mädchen später mehr schulische und akademische Erfolge vorweisen.

Unterschiede bereits bei Neugeborenen

Ob ein Kind ein Bub oder ein Mädchen ist, beeinflusst den Umgang der Eltern mit ihrem Nachwuchs offenbar von Anfang an. Eine 2014 im "Pediatrics Journal" veröffentlichte Langzeitstudie untersuchte die Unterschiede in der Kommunikation zwischen Erwachsenen und Babys in den ersten Monaten nach der Geburt. Dabei zeigte sich, dass Mütter eher auf die ersten frühkindlichen Sprechversuche ihrer Töchter reagieren und eingehen als auf die ihrer Söhne.

Da der größte Teil der sozialen und emotionalen Entwicklung von Kleinkindern zu Hause abläuft, sei es wichtig, dass sich Eltern dieser Rolle bewusst werden. Eine Studie zur Entwicklung physischer Aggression in jungen Buben legt nahe, dass Eltern aufgrund von sozialen Normen dazu neigen, sich vorrangig auf die körperliche Entwicklung ihrer Söhne zu konzentrieren und deren emotionale Entwicklung dabei vernachlässigen. (Julia Sahlender, 16.7.2017)