Madison/Wien – Pflanzen haben ein gravierendes Problem, wenn ihnen von Schädlingen Gefahr droht: Sie können nicht weglaufen. Das heißt aber noch lange nicht, dass sie wehrlos sind. Zu ihrem Verteidigungsrepertoire gehören schützende Stacheln ebenso wie die Produktion von Giften. Manche Pflanzen locken die Feinde von Schädlingen an, andere warnen benachbarte Pflanzen mit Alarmbotenstoffen vor, damit sie Gegenmaßnahmen treffen.

Es geht aber auch noch komplizierter und raffinierter, berichtet ein Team um John Orrock und Brian Connolly (Uni of Wisconsin) im Fachmagazin "Nature Ecology & Evolution". Die Forscher sprühten Tomatenpflanzen mit dem Botenstoff Methyljasmonat ein und ließen danach Raupen der Zuckerrübeneule auf die Blätter los.

Diese Raupen wurden auf Tomatenpflanzen losgelassen. Noch laben sie sich an den Blättern... aber nicht mehr lange.
Foto: Brian Connolly

Entomologischer Horrorfilm

Was dann passierte, liefert den Stoff für einen entomologischen Horrorfilm: Statt sich an den Pflanzen zu laben, knabberten die Raupen die Hinterteile von Artgenossinnen an, da die Pflanzen "schlecht schmeckten". Das war nur der Auftakt zu einem gruseligen Massaker: Nach acht Tagen hatte sich die Raupenpopulation zu 90 Prozent selbst kannibalisiert. Bei einer höheren Dosis des Alarmstoffs ging die Raupenselbstzerfleischung noch schneller.

Kannibalismus unter Raupen, der durch Pflanzen ausgelöst wurde.
UW-Madison Campus Connection

Der Nutzen dieser makabren Selbstverteidigungsstrategie ist für die Pflanzen ein doppelter: Erstens reduzieren sich die Raupen selbst, und zweitens haben die wenigen, die übrig bleiben, keinen Hunger mehr. (tasch, 11.7.2017)