Doris Schnepf erforscht das Mikroklima in Städten.

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Wien – Mit intelligenter Planung und Begrünung von Gebäuden und Wohnanlagen könne man viel erreichen, meint Landschaftsarchitektin Doris Schnepf. Man könne "Hotspots" – also Hitzeinseln – in Städten vermeiden, Innenhöfe auch bei hohen Außentemperaturen benutzbar machen, Straßenräume für Touristen attraktiver gestalten und generell die Lebensqualität der Stadtbewohner sowie die Biodiversität deutlich erhöhen.

Städte grüner zu machen habe viele Vorteile, meint Schnepf, die von der Initiative Femtech des Verkehrsministeriums zur Expertin des Monats Juni gekürt wurde. Seit Jahren experimentiert die 41-jährige Geschäftsführerin von Green4Cities mit ihrem Team damit, wie man mit richtiger Planung und Pflanzenauswahl das urbane Mikroklima nachhaltig verändern kann. Mit Mikroklimasimulationssoftware, mit unterschiedlichen Pflanzen über viele Vegetationsperioden hinweg. Das Ergebnis nennt sich "Greenpass" und ist ein Expertensystem für die mikroklimatische Beeinflussung von Bauprojekten.

Es wurde bereits bei der Planung des Biotopcity-Stadtquartiers am Wienerberg eingesetzt, wo mit intelligenter Begrünung die Lufttemperatur im Durchschnitt um 1,5 Grad gesenkt werden konnte. Ein weiterer Meilenstein wird der Bau des Stadtteils Eurogate II auf den ehemaligen Aspanggründen in der Nähe des Wiener Hauptbahnhofs sein. Dort hat Schnepfs Team den städtebaulichen Wettbewerb begleitet und alle dort eingereichten Pläne mikroklimatisch bewertet.

Internationaler Ansatz

Schnepf schwebt ein klares Ziel vor Augen: "Unser Modell zur intelligenten Begrünung soll zum internationalen Standard werden." Strategien zur Erreichung der UN-Klimaziele und EU-Vorgaben für urbane Klimaadaptierungen hätten das Thema längst aus der Nerd-Ecke geholt. "Wir reden bereits mit Stadtverwaltungen in Zürich und Mailand und wollen auch den asiatischen Markt erobern."

Dass Schnepf mit solchen Herausforderungen umgehen kann, hat sie mehrfach bewiesen. Nach der Matura studiert sie, "das Arbeiterkind aus Simmering", Landschaftsplanung an der Boku Wien und an der Pontificia Universidad Católica in Santiago de Chile. Dort sammelt sie ihre ersten unternehmerischen Erfahrungen, als sie ein Landschaftsplanungsbüro gründet. Nach der Geburt ihrer Tochter kommt sie mit 25 Jahren als Alleinerzieherin zurück nach Österreich, ohne Geld, ohne Job, ohne abgeschlossenes Studium.

Als wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Nachhaltigkeitsforschungsinstitut Seri lernt sie, wie man Förderungen akquiriert und Nachhaltigkeitsmärkte, die es erst ansatzweise gibt, aufbereitet. Nebenbei schließt Schnepf ihr Studium ab – und wird Seri-Geschäftsführerin. In diesen Jahren beginnt Schnepf ihre eigene Philosophie zu entwickeln: Tue Gutes – und verdiene Geld damit. "Im Ökobereich wird Geldverdienen oft als etwas Böses betrachtet. Aber wir können den Nachhaltigkeitsgedanken nicht vermarkten, wenn wir nur Bäume umarmen."

Zuversicht

Wer nicht handfeste Zahlen, Daten und Fakten anbieten könne, stehe auf verlorenen Posten. Daher müsse man das Gute monetarisieren. Am besten gleich im internationalen Maßstab und mit einem "Unicorn"-Projekt – das heißt mit einem Start-up-Unternehmen, dass mehrere 100 Millionen Dollar schwer ist und Standards setzt. Das ist die Grundidee ihres Greenpass-Projekts. Verwegen? Gewiss, es sei ein Risiko, meint Schnepf. "Aber unsere Firma zählt zu den Frontrunnern."

Ende des Jahres will Schnepf mit den Ausgründungen der Greenpass-Firma beginnen. Dann soll jeder Architekt die Greenpass-Software in sein Zeichenprogramm ziehen können, um in aktuellen Bauplänen Bäume, Grünflächen und Oberflächen zu definieren und dann die Daten an die Server von Schnepfs Firma zu schicken. Dort werden die mikroklimatischen Auswirkungen, konkreten Kosten-Nutzen-Verhältnisse und qualitativen Kriterien berechnet und Empfehlungen abgegeben, welche Planung für welches Ziel am vorteilhaftesten ist. "Wir sind guter Dinge, dass das funktioniert. Und ich habe Lust auf unternehmerischen Erfolg." (Norbert Regitnig-Tillian, 14.7.2017)