Drogen, Bandenkriege, Korruption und Pablo Escobar haben Kolumbien geprägt und es berühmt gemacht. Nachdem ich sechs Monate in Kolumbien gelebt habe, weiß ich vor allem eines: Der Ruf Kolumbiens und meine eigenen Erlebnisse gehen nicht Hand in Hand. 

Auf meine Entscheidung nach Kolumbien zu gehen, haben meine Freunde meist sehr einsilbig reagiert: "Gefährlich! Drogen!" Doch ohne Kolumbien hätte die Welt Shakiras Stimme nie gehört und sich nie zu Zumba-Rhythmen bewegt. Und mehr wussten Familie und Freunde über dieses lateinamerikanische Land aber auch wieder nicht.

Ich wollte nach Kolumbien des Meeres wegen und um dort zu tauchen. Mein Versuch, ihnen ein anderes Bild zu malen, scheitert zunächst kläglich. Erst nach und nach kann ich die Meinung um mich herum ändern: mit atemberaubenden Landschaftsaufnahmen und Geschichten über die dort erlebten Momente.

Konvent "Santo Ecce Homo" nahe Villa de Leyva.
Foto: Viktoria Urbanek

Ganz übel nehmen kann ich meiner Familie ihre Vorurteile aber nicht. Denn noch vor knapp drei Jahrzehnten sah es in Kolumbien trist und blutig aus. Es verging kein Tag ohne Morde oder Entführungen. Selbst die Polizei war vom Drogenbaron Pablo Escobar infiltriert worden. Und als diese sich dann doch zu wehren begann, wurde ein stattliches Kopfgeld auf Polizisten ausgesetzt.

Escobar war Drogenschmuggler und Terrorist, durch seinen Drogenhandel stieg das Mastermind zu den gefährlichsten und reichsten Menschen der Welt auf. Sein Tun spaltete das Land und prägte es politisch: Kolumbien kam international als Drogenparadies und korruptes Land in Verruf. Die USA erklärten unter Präsident Bush Sr. einen milliardenschweren Drogenkrieg gegen Escobar. Seine Anhänger, die Sicarios, förderten im Land eine extreme Gewaltkultur, in Medellin, dem Escobar-Epizentrum radikalisierten sich die Elendsviertel. Durch seine finanziellen Spritzen für Sozialwohnungen und Krankenhäuser aber, wird er noch immer in Teilen der Bevölkerung als Volksheld gefeiert.

Viele hatten die Zukunft des Landes bereits abgeschrieben, zu viel Blut war vergossen worden. Escobar ist seit mehr als zwei Dekaden tot und Kolumbien mittlerweile eines der wirtschaftlich schnellst wachsenden Länder auf dem südamerikanischen Kontinent. Internationale Konzerne investieren in das Land und Handelsabkommen mit der EU und Japan fördern laut "Telegraph" das wirtschaftliche Wachstum.

Mittlerweile hat das Land einen Identitätswandel hinter sich und neben der blutigen Geschichte ein stabiles und fortschrittliches System aufgebaut, mit dem Kolumbien mit anderen lateinamerikanischen Staaten mithalten kann.

Grüße vom Ara.
Foto: Viktoria Urbanek

Aber was hat Kolumbien nun zu bieten?

Auf meinen Wochenendtrips und längeren Erkundungstouren weitab der 08/15-Destinationen habe ich auch das Hinterland erkundet. Dort erlebt man ein Land, das sich bemüht, seine Geschichte in der Vergangenheit zu belassen, aber sich dennoch bewusst ist, was passiert ist und daraus lernt.

Medellín zum Beispiel: 2012 wurde die Stadt vom "Wall Street Journal" zur innovativsten Stadt der Welt gekürt. Unter dem fehlenden Einfluss Escobars fiel dort innerhalb von 20 Jahren die Mordrate um 80 Prozent, öffentliche Parks, Schulen und Büchereien wurden in den Elendsvierteln errichtet und die gesamte Stadt infrastrukturell ausgebaut.

Insgesamt ist die Zusammenarbeit von Stadtregierung und Bevölkerung besser geworden. Doch die Vergangenheit wird hier nicht verdrängt oder vergessen: In Medellín gibt es Stadttouren, die sich ausschließlich mit dem Leben von Escobar beschäftigen. Beim Besuch in seinem selbsterbauten Gefängnis La Catedral, das übrigens den besten Blick auf die Stadt bietet, lese ich ein Schild auf dem steht: "Ein Land, das seine Geschichte nicht kennt, ist dazu verdammt sie zu wiederholen." Im Plauderton, der eine Mischung aus beinahe-Stolz und noch-immer-Angst unterliegt, erzählt mir mein Guide, ein ehemaliger Polizist, wie auch er von Escobar persönlich geschmiert wurde. Er war einer der wenigen Polizisten, die diese Zeit in Medellín überlebt hat. Heute lebt er davon, Geschichten wie diese zu erzählen.

Im Amazonas tummelt sich allerlei Getier.
Foto: Viktoria Urbanek

Der mächtige Amazonas

Bei der Ankunft in Leticia, einer unscheinbaren Stadt im kolumbianischen Teil des Amazonas, erscheinen mir Hitze und Luftfeuchtigkeit zunächst erbarmungslos. Dazu kommen noch die unermüdlichen Mosquitos, die einem den Schlaf rauben. Hier hat man die Möglichkeit einmal im Dschungel wandern zu gehen, dabei Vogelspinnen aus ihren Niestungslöcher am Boden kitzeln, kleinen Äffchen beim Ast zu Ast schwingen zuzusehen, oder auch in Baumkronen ein Faultier erspähen. Von den rosa Flussdelfinen ganz zu schweigen. Und für ganz Mutige lässt es sich im Amazonas auch in Hängematten übernachten.

Bootsfahrt auf dem Amazonas.
Foto: Viktoria Urbanek
Flussdelfin im Amazonas.
Foto: Viktoria Urbanek

Kolumbien ist Meer

Mein Hauptantrieb nach Kolumbien zu gehen, das Meer, zeigt sich in seiner Formvollendung an der Karibikküste und auf den Inseln San Andrés und Providencia. Dort gibt es eine Vielzahl an Tauchplätzen mit erstklassigen Bedingungen. Das Wasser ist angenehm warm, die Fische bunt und die Tauchguides professionell. Rund um die Pazifikinsel Malpelo schippert es sich mit einem besonderen Flair: Hier grüßt man Hammerhaie und Walhaie zugleich.

Tauchgang mit Aussicht.
Foto: Viktoria Urbanek

Zona Cafetera – die Kaffeezone Kolumbiens

Wenn mich jemand nach meinen Highlights frage, werde ich meist von Salento, Filandia und dem Cocora-Tal in der Kaffeezone schwärmen. Die bunten Fassaden, schmuckvollen Türen und Wanderungen durch bis zu 70 Meter hohe Wachspalmen sind einfach zu schön, um ausgelassen zu werden.

Kaffeeregion in Kolumbien.
Foto: Viktoria Urbanek
Die Insel Providencia in der Karibik ist eine wahrhaft idyllisch.
Foto: Viktoria Urbanek

Zwei Wochen reichen nicht aus, um das Land zu sehen, zwei Monate auch nicht – und genau darin liegt das Schöne: Kolumbien ist so vielseitig, sodass jeder für sich etwas passendes herauspicken kann und bestimmt nicht enttäuscht nach Hause zurückkehrt. Kolumbien ist eine Vielfalt an Früchten, die im Deutschen nicht einmal eine Übersetzung haben – Ciruela, Feijoa oder Nispero – heiße Thermalquellen mitten in den immergrünen Anden, weißeste Sandstrände, saftiges Fischceviche, billige Inlandsflüge, freundliche Straßenverkäufer und hilfreiche Gesichter. Seinen Hausverstand sollte man dennoch nicht zuhause lassen, die Wertgegenstände hingegen schon. (Viktoria Urbanek, 6.9.2017)

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