Wien – Bundeskanzler Christian Kern und Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (beide SPÖ) haben am Mittwoch, am Rande ihrer Landtagsklub-Tour im Burgenland, ein gemeinsames Papier präsentiert, in dem sie Forderungen zur Migrationspolitik in der EU stellen. Unter dem Titel "Antworten auf die Migrationsherausforderungen" werden in dem SPÖ-Papier, das dem STANDARD vorliegt, sieben Schritte angeführt, die bis 2020 umgesetzt werden sollen.

Unter anderem sprechen sich Kern und Doskozil darin für ein "gemeinsames europäisches Asylsystem" aus. Es brauche einheitliche Verfahren und eine "Lastenverteilung mit standardisierten Leistungen, um die Binnenwanderung einzuschränken", heißt es in dem Papier – denn derzeit hingen die Chancen auf Asyl davon ab, in welchem EU-Land man ansuche. Um das zu erreichen, sollen Asylverfahrenszentren außerhalb der EU eingerichtet werden. Diese könnten etwa vom UNHCR getragen werden. Entscheiden sollen dort über die Asylanträge europäische Beamte. Konkret schlagen Kern und Doskozil den westafrikanischen Staat Niger für ein solches Zentrum vor. In Libyen – wie bisher stets im Gespräch – sei das eine Illusion.

Finanzielle Einbußen

"Jeder Mensch, der illegal nach Europa kommt, muss in eines dieser Verfahrenszentren zurückgestellt werden", sagte Doskozil bei einem Mediengespräch. Dann könne man auch der Schlepperkriminalität die Grundlage entziehen. Kern: "Wir müssen die illegale Migration nach Europa stoppen." Europa müsse die Kontrolle darüber zurückgewinnen, wer hierher kommt. Einfache Lösungen gebe es nicht. Das sei ein längerfristiger Prozess, der aufwendig sei und auch einen ökonomischen Preis haben werde.

Asylberechtigte sollen "gerecht auf die Staaten der EU" verteilt werden, wobei die Aufnahmekapazitäten in den jeweiligen Ländern berücksichtigt werden sollten. Kern stellte einmal mehr finanzielle Einbußen für jene Länder in den Raum, die sich an der Verteilung der Flüchtlinge nicht solidarisch beteiligen.

Rückführungsabkommen bisher "große Enttäuschung"

Wer bereits in der EU ist, aber kein Recht auf Asyl hat, solle in sein Heimatland zurückgeführt werden. Die bisherigen Rückführungsabkommen mit den Herkunftsstaaten seien eine große Enttäuschung, sagte Kern. Sie müssten dringend effizienter werden und konsequenter verhandelt werden. Ein Mitglied der Europäischen Kommission solle speziell mit dieser Aufgabe betraut werden. "Das muss eine Person sein, die Format hat und in der Lage ist, die Staaten in Europa auf den richtigen Weg zu bringen und eine gemeinsame Strategie umzusetzen", sagte Doskozil.

Polizei, Militär und zivile Kräfte

Österreich wolle den Assistenzeinsatz des Bundesheers vertiefen. Doskozil schlägt das auch für Europa vor. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex brauche dringend mehr Ressourcen, es könnte zu einem gemischten Einsatz kommen, bei dem die Frontex-Polizeikräfte durch militärische Ressourcen verstärkt werden. Auch "zivile Kräfte" sollen eingesetzt werden.

Daneben sollen Menschen in ihren Herkunftsländern verstärkt über Migration informiert werden. Die EU müsse zudem "einen klaren Plan zur Zusammenarbeit mit den Ländern Westafrikas" sowie einen "Marshallplan für Nordafrika" entwickeln, damit Menschen gar nicht erst versuchen, ihre Heimat zu verlassen. Die wirtschaftliche Situation in den Herkunfts- und Transitländern müsse verbessert werden, es müsse mehr in die Infrastruktur investiert und die Handelsbeziehungen ausgebaut werden. Eine wesentliche Rolle sollten dabei der Afrika-Treuhandfonds der EU mit einem Volumen von – laut Papier – rund 2,8 Milliarden sowie der EU-Investitionsplan für Afrika spielen, mit dem Investitionen von rund 44 Milliarden Euro ausgelöst werden können. (cmi, völ, 12.7.2017)