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Madalyn Parker nahm sich zwei Tage Krankenstand wegen psychischer Probleme und wurde für ihre Offenheit vom Chef gelobt.

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Es ist normalerweise nicht unbedingt ein Thema, das am Arbeitsplatz offen angesprochen wird: Madalyn Parker, Web-Entwicklerin beim amerikanischen Software-Unternehmen Olark Live, kündigte in einer Mail ihre Krankmeldung an – und zwar aus psychischen Gründen. "Ich nehme mir morgen und übermorgen frei, um mich auf meine psychische Gesundheit zu konzentrieren."

Auf die mutige Nachricht folgte auch eine Antwort – vom CEO des Unternehmens persönlich. Sie sei ein Vorbild für alle und helfe, das Stigma zu beseitigen, schreibt Ben Congleton. "Ich möchte dir persönlich dafür danken, dass du solche Mails schreibst." Dass es in anderen Unternehmen nicht Usus sei, sich bei psychischen Problemen krankzumelden, könne er kaum glauben.

Parker veröffentlichte seine Antwort auf Twitter:

Es folgten hunderte Reaktionen – die meisten davon positiv. Ihr Chef sei warmherzig und verständnisvoll – was leider eine absolute Ausnahme sei, so der Tenor vieler Antworten.

Parker setzt sich schon länger dafür ein, dass der psychischen Gesundheit mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. So teilte sie bereits mehrere Texte zum Thema Angst und Depression und wie man damit umgehen kann. Nach den zahlreichen Reaktionen auf die veröffentlichte Antwort ihres Chefs äußerte sich auch er ausführlicher zum Thema. "Wir haben das Jahr 2017. Wir arbeiten in einer Wissensgesellschaft. Unsere Berufe verlangen von uns, dass wir ständig geistige Höchstleistungen bringen. Wenn ein Athlet verletzt ist, dann sitzt er auf der Bank und erholt sich. Begreifen wir endlich, dass unser Gehirn ganz ähnlich funktioniert." Bei manchen Reaktionen auf den Tweet seiner Angestellten haben er Tränen in den Augen gehabt, schreibt Congleton. "Es liegt noch sehr viel Arbeit vor uns allen."

Was psychische Erkrankungen kosten

Dass man dem Thema allein schon aus finanziellen Gründen begegnen muss, ist dabei nur eine Argumentation. In den Vereinigten Staaten würden Arbeitgeber 100 Milliarden Dollar beziehungsweise 217 Millionen Arbeitstage durch psychische Erkrankungen von Mitarbeitern verlieren, errechnete die National Business Group on Health.

Solche Rechnungen gibt es natürlich auch in Österreich. Insgesamt ist die Anzahl der Krankenstandstage rückläufig – Arbeitsausfälle aufgrund psychischer Probleme steigen allerdings, schreibt die Arbeiterkammer. Zudem sind ein Drittel der Frühpensionierungen auf seelischen Leidensdruck zurückzuführen. "Wir müssen die Notbremse ziehen und uns mit dem Thema intensiv befassen", sagt Arbeiterkammer-Präsident Rudolf Kaske, der mehr Prävention in den Unternehmen fordert. Während psychische Probleme im Jahr 1994 für eine Million Krankenstandstage verantwortlich waren, wurden 2014 schon 3,6 Millionen registriert. Das ist ein Plus von 340 Prozent, während Kaske zufolge die gesamten Krankenstandstage im entsprechenden Zeitraum um 4,6 Prozent zurückgingen. Der wirtschaftliche Schaden beläuft sich auf 3,3 Milliarden pro Jahr.

Tabu brechen

Congleton erwähnt solche Rechnungen nicht. Ihm geht es mehr darum, seine Mitarbeiter zu unterstützen und sie zu fördern. "Als Führungskräfte leiten wir Unternehmen, die aus Menschen bestehen, die zusammenkommen, um etwas zu verändern." Einer von sechs US-Amerikanern nehme Antidepressiva, dennoch könne man nicht über die Probleme sprechen. Er und seine Mitarbeiterin gingen deshalb mit gutem Beispiel voran, um das Tabu zu brechen. (lhag, 13.7.2017)