Jung, männlich, Arbeiter – ein typischer FPÖ-Anhänger. Weiblich, Uni-Abschluss, urban – eine klassische Grün-Wählerin. Wer die Berichterstattung rund um Wahlen in Österreich auch nur rudimentär mitverfolgt, kennt diese und ähnliche Zusammenhänge zwischen soziodemografischen Merkmalen und Parteipräferenzen.

Daran ist auch überhaupt nichts auszusetzen – ganz im Gegenteil. Die akademische Wahlforschung hat oft genug belegt, dass individuelle Charakteristika wie Alter, Geschlecht, Bildung, Beruf, Wohnort, Religiosität oder Gewerkschaftsmitgliedschaft wichtige Erklärungsfaktoren für das Wahlverhalten sind (für Österreich etwa hier und hier).

Parteipräferenzen bestimmter Gruppen sollten nicht mit der Zusammensetzung der Wählerschaft bestimmter Parteien verwechselt werden. Träger von Trachtenmode sind vielleicht oft ÖVP-Wähler, aber nicht alle ÖVP-Wähler sind Trachtenträger.
Foto: APA/ERWIN SCHERIAU

Problematisch wird es, wenn wir die Parteipräferenzen bestimmter Gruppen mit der Zusammensetzung der Wählerschaft bestimmter Parteien verwechseln. Anders gesagt: Nur weil Gruppe X stark zu Partei Y tendiert, sind Y-Wähler nicht mehrheitlich Mitglieder der Gruppe X.

Nehmen wir als Beispiel Frauen mit höherem (das heißt postsekundärem) Bildungsabschluss. In der Autnes-Vorwahlbefragung 2013 (diese Daten sind nicht mehr brandneu, aber das spielt in diesem Fall keine Rolle) deklarierten fast die Hälfte der Befragten in dieser Gruppe (46 Prozent) ihre Präferenz für die Grünen, ein knappes Viertel tendierte zur ÖVP, die anderen Parteien teilten sich den Rest.

Daraus zu schließen, dass Grün-Wähler typischerweise weiblich und höher gebildet wären, ist aber schlicht falsch. Nur 17 Prozent der Grün-Stimmen in der Befragung kommen von Frauen mit postsekundärem Bildungsabschluss. Der simple Grund dafür ist, dass der Anteil dieser Gruppe an der Wählerschaft insgesamt nicht sehr groß ist (typischerweise im einstelligen Prozentbereich).

Das fälschliche Schließen von den Parteipräferenzen bestimmter Gruppen auf die Anteile dieser Gruppen an der Wählerschaft bestimmter Parteien ist eine Variante des Prävalenzfehlers (base rate fallacy): Dabei schätzt man die Häufigkeit eines Merkmals (etwa den Anteil hochgebildeter Frauen unter Grün-Wählern) falsch ein, weil man die Basiswahrscheinlichkeit (den geringen Anteil hochgebildeter Frauen an der Wählerschaft insgesamt) ignoriert.

Ein Grund dafür ist wohl, dass wir stets mit Parteipräferenzen bestimmter Gruppen konfrontiert werden (Wie wählten die Frauen, die Männer, die Arbeiter, die Angestellten, die Jungen, die Alten?), dabei aber selten an den Anteil dieser Gruppen an der Wählerschaft insgesamt erinnert werden.

Die meisten FPÖ-Wähler sind also nicht junge, männliche Facharbeiter. ÖVP-Anhänger sind nicht mehrheitlich Bauern, Unternehmer oder Beamte. Und die SPÖ-Wählerschaft besteht nicht überwiegend aus Pensionisten.

Wenn wir uns das vor Augen halten, laufen wir weniger Gefahr, dass aus soziodemografischen Erklärungsfaktoren für das Wahlverhalten allzu leicht falsche Stereotype über die Wählerschaften bestimmter Parteien werden. (Laurenz Ennser-Jedenastik, 13.7.2018)