Viele Lebensmittelhändler am Naschmarkt in Wien-Mariahilf sind darauf angewiesen, auch Speisen und Getränke anzubieten.

Ayham Youssef

Andernfalls könnten sie nicht überleben.

Ayham Youssef

Wien – Ein Mittagessen am Käsestand bestellen oder einen Kaffee beim Gemüsehändler trinken? Auf den Wiener Märkten geht das. Möglich macht es die Marktordnung, die Lebensmittelhändlern erlaubt, einen kleinen Gastrobereich mit bis zu acht Sitzplätzen zu betreiben. Diese sogenannten Nebenrechte werden seit 1. Juli aber nicht mehr vergeben.

Die Stadt argumentiert, sie wolle so den Nahversorgungscharakter der Märkte wieder stärken. Wie das Nebenrechteverbot dies bewerkstelligen soll, verrät man im Büro von Stadträtin Ulli Sima (SPÖ) auf STANDARD -Anfrage nicht. Interessant ist nämlich, dass bestehende Standbetreiber von der Regelung gar nicht betroffen sind. Sie greift nur bei Neuanmeldungen.

Größter Umsatz mit Gastro

Hintergrund sind wohl die Streitigkeiten am Karmelitermarkt im zweiten Bezirk, wo sich Händler nicht immer an das Limit von acht Gastroplätzen hielten – die Stadt spricht von "Wildwuchs" – sowie die Kritik an der Verdrängung der Lebensmittelhändler vom Naschmarkt im sechsten Bezirk.

Zum Verständnis: Die Marktordnung sieht drei Genehmigungsvarianten für Marktstände vor – Gastronomie, Handel und Dienstleistung. Um eine Ausgewogenheit zu erreichen, darf höchstens ein Drittel der Marktfläche Gastronomie sein. Händler bekamen bisher die erwähnten Gastronebenrechte – und machen damit oft den größten Umsatz.

Laut Susanne Jerusalem, der ehemaligen grünen Bezirksvorsteherstellvertreterin in Mariahilf, sind die Nebenrechte für viele Händler "überlebenswichtig. Sie kämpfen um ihre Existenz". Die reinen Gastrostände würden hingegen boomen. Die neue Regelung sei deshalb eine "komplette Fehlentscheidung von jemandem, der sich nicht auskennt".

Grundübel Weitergaberecht

Jerusalem beklagt seit Jahren die "horrenden Ablösen" von einigen Hunderttausend Euro, um die die Stände am Naschmarkt gehandelt würden. Die neue Regelung, die auch vorsieht, dass bei einer Neuübernahme ein schon vorhandener Gastrobereich auf eigene Kosten abgebaut werden muss, werde "klarerweise den Wert der Stände mindern". Das Problem wäre damit aber nicht beseitigt. Stattdessen würden Betreiber "überhaupt keinen Nachfolger mehr finden", sagt Jerusalem.

Sie beklagt als Grundübel das Weitergaberecht – die Marktordnung erlaubt Händlern, für ihre Standpachten einen Nachfolger vorzuschlagen – und plädiert dafür, dass Stände an die Stadt zurückgehen und neu ausgeschrieben werden.

Die Stadt führt derzeit Gespräche, um die Marktordnung zu novellieren. Resultate kommen "nicht vor Spätherbst", heißt es aus dem Büro Sima.

Forderung nach mehr Flexibilität

Auch abseits von Nasch- und Karmelitermarkt gibt es Kritik am Nebenrechteverbot. Mark Ruiz Hellin, Betreiber der Konditorei Hüftgold am seit fünf Jahren aufblühenden Meidlinger Markt, wünscht sich, dass die Stadt individuelle Konzepte erarbeitet, anstatt "alle Märkte über einen Kamm zu scheren. Alle kämpfen mit anderen Herausforderungen." Er befürchtet nun das Aus: "Hätte es das Nebenrechteverbot vor fünf Jahren gegeben, wäre der Meidlinger Markt noch immer tot." Auch die Grüne Jerusalem plädiert für mehr Flexibilität: "Warum nicht die Betreiber fragen? Sie wissen, was gut für ihr Geschäft ist."

Die Wiener Opposition zeigt sich verärgert. Laut Neos Wien ist das Verbot "absoluter Wahnsinn", es brauche stattdessen mehr Lockerungen. Auch die ÖVP Wien will "mehr Freiheit" und präsentiert am Freitag ein eigenes Konzept. (Christa Minkin, 13.7.2017)