Kleinteilig und großvolumig zugleich und dazu eine grandiose Aussicht.
Foto: Sabine Pollak

Der 1939 geborene katalanische Architekt Ricardo Bofill hatte seine wilden Zeiten, bevor er sich der Postmoderne verschrieb. In den Banlieus von Paris plante er schlossartige Sozialwohnanlagen und verunzierte den Hafen von Barcelona mit einem Hochhausungetüm in Form einer Haifischflosse. Nicht so 1968, da zeichnete er das Projekt City in Space, das eher an ein Bild aus Woodstock erinnert als an Sozialwohnungsbau.

Aus einer bunt zusammengewürfelten Menschenmasse von Hippies, Geschäftsleuten und Fußballern erhebt sich eine ebenso zusammengewürfelte, künstliche Berglandschaft aus gegeneinander verschobenen Wohnzellen. Während sich die Architekturszene Kataloniens gerade zu einer Barcelona-Schule mit einem eigenen formal-konstruktiven Stil formierte, setzte das Büro Bofills, Taller de Arquitectura, auf vorgefertigte Zellen, Agglomerationen ohne Limit und künstliche Zikkurats mit einer eigenen mikro-urbanen Qualität.

Gänge öffnen sich zu Nischen, man kommuniziert über den Gang.
Foto: Roland Köb
Die Farben Blau und Rot kontrastieren, die kühlen Innenbalkone werden genutzt.
Foto: Roland Köb

Groß und rot, eine Burg, ein Berg 

City in Space von Taller de Arquitectura wurde nicht gebaut, 1974 realisierte Bofill jedoch am südwestlichen Rand Barcelonas neben seinem Büro in einer ehemaligen Zementanlage Walden 7. Walden 7 ist hoch, groß und rot, sticht aus der Umgebung hervor und fügt sich dennoch in die Textur der Vorstadt ein. 400 Wohnungen türmen sich in 14 Stockwerken über domartigen Hohlräumen, ein fantastisches, rotes Ungetüm, aber fein strukturiert. Im türkis-blau verfliesten Inneren kreuzen sich Gänge, überlagern sich Stiegen und öffnen sich Plätze in schwindelnden Höhen.

Im Inneren eröffnet sich ein Dom-artiger Raum.
Foto: Sabine Pollak
Fliesen und Muster sind katalanisch, der Gesamtbau mutet utopistisch an.
Foto: Roland Köb

Gestapelte Hütten und ein Schwimmbad am Dach

Der Name ist inspiriert von Henry David Thoreaus "Walden. Oder das Leben in den Wäldern" von 1848 und von "Walden 2", eine Science-Fiction-Novelle des Verhaltensforschers B. F. Skinner (1948). Walden 7 vereint die einsame Hütte – eine der gestapelten Minimalwohneinheiten –und die von Skinner antizipierte Utopie einer neuen Gesellschaft in Gemeinschaften.

Walden 7 funktioniert auch heute noch bestens, man ist überwältigt von dem kirchenartigen Raum, der angenehmen Kühle und dem extravaganten Farbkonzept. Den Bewohnenden scheint es auch zu gefallen, sie haben außer dem langsam fahrenden Lift in Richtung Swimmingpool am Dach nichts zu bemängeln. Walden 7 ist das Alt-Erlaa Barcelonas. Beide haben ihre Qualitäten. Ich plädiere für ein Walden 8, aber nicht in Barcelona, sondern hier bei uns. Ein wenig Kühle würde auch uns nicht schaden, es muss ja nicht gleich in Rot-Blau sein. (Sabine Pollak, 19.7.2017)

 

Literaturhinweis

  • Sabine Pollak: Kochen, Essen, Lieben. Architektur des privaten Wohnens. Sonderzahl, Wien 2015

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