Bürgermeisterin Angelika Schwarzmann (li.) und Landesrätin Katharina Wiesflecker in der Kindergruppe "Dean und Duss".

Foto: Landespressestelle

Alberschwende – Punkt zehn Uhr blökt es im Untergeschoß der Volksschule Alberschwende. Nicht der Kuckuck meldet sich zur vollen Stunde, sondern ein Schaf. Ungewöhnlich wie die Uhr in der Kleinkinderbetreuung des Bregenzerwälder Dorfes ist auch der Name der Einrichtung: "Dean und Duss". Was Englisch klingt, ist Wälderisch und heißt ganz einfach "drinnen und draußen". Der Titel weist auf das pädagogische Konzept hin, das auch eine Waldgruppe umfasst.

Landesrätin Katharina Wiesflecker (Grüne) hat sich die 3000-Menschen-Gemeinde bewusst für die Präsentation ihres Jahresberichts zur Kinderbetreuung ausgesucht. Alberschwende gilt mit seinem Angebot als beispielgebend. Bürgermeisterin Angelika Schwarzmann (VP): "Das Thema Kinderbetreuung beschäftigt mich, seit ich in der Gemeindepolitik bin – seit über 20 Jahren –, und wird mich jeden Tag weiter beschäftigen."

Die alten Rollenbilder hielten sich hartnäckig, gegen das "Für Kinder sind die Frauen zuständig" müsse man täglich ankämpfen. Die traditionelle Rollenzuschreibung sieht Schwarzmann neben der Bezahlung der Betreuenden als wesentlichen Grund dafür, dass nur weniger Männer in der Elementarpädagogik zu finden sind.

Vom Schlusslicht an die Spitze

Lange war Vorarlberg bei Kinderbetreuungseinrichtungen Schlusslicht im Ländervergleich. Mittlerweile hat man bei Dreijährigen mit über 92 Prozent die höchste Quote. Ein Viertel der unter Dreijährigen wird betreut. Insgesamt besuchen 4320 Kleinkinder eine der 125 Betreuungseinrichtungen. Der Betreuungsschlüssel liegt über dem österreichischen Durchschnitt. So kommen auf neun Ein- und Zweijährige zwei bis drei Betreuerinnen.

24 der Kleinkindergruppen befinden sich im Bregenzerwald mit seinen 24 Gemeinden. Schwarzmann: "Die Kommunen erkennen mittlerweile, dass eine funktionierende Kinderbetreuung ein Standortvorteil ist – für Arbeits- wie für Wohnorte." "Funktionierend" bedeutet für Schwarzmann ein breites Angebot von stundenweiser bis ganztägiger Betreuung, auch während der Ferien.

Damit sich die ländlichen Kleingemeinden dieses Angebot leisten können, wird im Bregenzerwald über die Gemeindegrenzen hinweg kooperiert. Ab kommenden Herbst wird für alle Gemeinden ein Springer-Pool eingerichtet, damit bei Krankheit oder Abwesenheit einer Betreuungskraft sofort Ersatz gefunden werden kann. Angestellt werden die Frauen von der Gemeinde Alberschwende, die Kosten teilen sich die Gemeinden.

Öffentlich statt privat

Dass immer mehr Gemeinden Kinderbetreuungseinrichtungen in ihre Trägerschaft übernehmen, ist für Landesrätin Wiesflecker ein positiver Trend. Waren 2008 erst 18 Prozent der Betreuungsstätten öffentliche Einrichtungen, sind es heute 40 Prozent. Grund für den hohen Anteil privater Einrichtungen ist die bis ins 21. Jahrhundert reichende Weigerung der in Vorarlberg dominierenden Volkspartei, außerhäusliche Kleinkinderbetreuung zu fördern. Lange galt es als verpönt, Kleinkinder außerhalb der Familie betreuen zu lassen.

Mit Schulbeginn, kündigte Wiesflecker an, werden 13 neue Einrichtungen eröffnet. Neu wird auch die Preisgestaltung sein. Ab Herbst müssen sich alle Einrichtungen an gestaffelte Tarife halten. Je nach Alter und Dauer kostet die Betreuung zwischen 140 und 442 Euro monatlich.

Der Forderung der SPÖ, Kinderbetreuung kostenlos anzubieten, erteilt Wiesflecker eine Absage. Da Vorarlberg einen großen Aufholbedarf bei Errichtung, Ausstattung, Qualitätskontrolle der Kinderbetreuungseinrichtungen und der Ausbildung von Fachpersonal habe, sei das nicht finanzierbar.

Betreuungseinrichtungen müssten aber, als Beitrag zur Frühförderung und Armutsprävention, für alle leistbar sein. Deshalb biete man sozial gestaffelte Beiträge an. Der niedrigste Tarif betrage dann 20 Euro pro Monat; im Vorjahr wurden 236 Kinder unterstützt. Der Einnahmenausfall der Träger wird durch die Landesregierung gefördert, 2016 wurden dafür 107.000 Euro ausbezahlt.

Hoffnung auf weitere Bundesgelder

Für Kinderbetreuungseinrichtungen, Spielgruppen und Tageseltern wurden im Vorjahr vom Land 18,9 Millionen ausgegeben. Knapp 2,4 Millionen kamen vom Bund. Die Bundesmittel aus der 15a-Vereinbarung würden komplett ausgeschöpft, sagt Wiesflecker, die auf eine Verlängerung der auslaufenden Bund-Länder-Vereinbarung hofft. Die Gemeinden tragen wesentlich zur Finanzierung bei. Sie übernehmen 30 bis 40 Prozent der Personalkosten, stellen Räumlichkeiten zur Verfügung oder stützen die Mietkosten.

Mit der Anzahl der Betreuungseinrichtungen steigt auch der Personalbedarf. Aktuell arbeiten 900 Beschäftigte, die überwiegende Mehrheit weiblich, als Betreuungskräfte. Durch einen modularen Lehrgang werden weitere Betreuungspersonen ausgebildet. 99 Personen, darunter ein Mann, erhielten kürzlich ihre Zertifikate. Die nächsten Kurse sind ausgebucht. (Jutta Berger, 14.7.2017)