Der Jahrgang 2008/2009 (Bachelor) unter der Lupe: Nach sieben Jahren an der Uni hat nur die Hälfte einen Abschluss.

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In keinem anderen OECD-Land schließen so wenige Studierende in Regelstudienzeit ab wie in Österreich (24 Prozent). Dieses ernüchternde Ergebnis geht aus der "Education at a Glance"-Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hervor. Allerdings müsse hier differenziert werden, sagt Martin Unger, der am Institut für Höhere Studien (IHS) seit Jahren für die Studierenden-Sozialerhebung zuständig ist und mit IHS-Forscherin Bianca Thaler einen Zusatzbericht zu Studienverläufen und Zufriedenheit präsentierte: Drei Jahre nach Regelstudienzeit sind noch immer 19 Prozent an einer Hochschule inskribiert, die Abbruchsquoten seien mit denen anderer Staaten vergleichbar, kommentieren Unger und Thaler die OECD-Ergebnisse.

Mindeststudienzeit an Unis selten

Das IHS kann weitere Aussagen bezüglich der Studiendauer treffen. Diese Analysen wurden mit Administrativdaten der Hochschulstatistik erstellt, welche alle Studierenden in Österreich enthält. Aus diesen Daten wurden einzelne Jahrgänge – im IHS spricht man von Kohorten – im Studienverlauf analysiert. Nach sechs Semestern – was in den meisten Bachelorstudien der Mindeststudienzeit entspricht – haben von den Studierenden des Jahrgangs 2008/2009 an öffentlichen Unis demnach nur sechs Prozent, an Pädagogischen Hochschulen 50 Prozent und an Fachhochschulen 61 Prozent abgeschlossen. Betrachtet wird nicht nur das Erststudium, und als Studienabbruch zählt nur, wenn alle inskribierten Fächer beendet werden.

Für den zuständigen Sektionschef des Wissenschaftsministeriums, Elmar Pichl, sollten diese Zahlen als "Material zur Selbstreflexion" an Hochschulen dienen. Dass im achten Semester des Bachelors nicht einmal jeder dritte Studierende an Universitäten abgeschlossen habe, sei nicht zufriedenstellend. Die Frage sei, "wo man drehen kann, um die Studienverlaufkurve zu verbessern", wobei Pichl schon Ideen habe: So müssten die Betreuungsrelationen verbessert werden, was man im Wissenschaftsministerium am liebsten über die Regulierung der Kapazitäten – Stichwort "Studienplatzfinanzierung" – tun würde.

Studienwechsel häufig

An Fachhochschulen schließen zwar allgemein mehr Studierende ihr Studium ab – und das in einer kürzeren Zeit –, allerdings sind die Abbruchquoten mit 35 Prozent bei den berufsbegleitenden Modellen sogar höher als an den Unis. "Vorläufig", sagt IHS-Forscherin Bianca Thaler, "denn von den beobachteten Uni-Studierenden sind noch 19 Prozent inskribiert und können in Zukunft abbrechen oder abschließen."

Betrachtet man nicht einzelne Personen, sondern begonnene Studien – man kann ja mehrere Studien inskribieren –, zeigt sich ein anderes Bild: An öffentlichen Unis haben nach 14 Semestern 28 Prozent ihr ursprünglich begonnenes Studien abgeschlossen, zehn Prozent studieren noch in diesem Studium. 25 Prozent haben ein anderes Studium abgeschlossen, neun Prozent studieren noch ein anderes Studium. Das bedeutet, dass nach 14 Semestern mehr Studierende in ein anderes Studium gewechselt (34 Prozent) als das ursprüngliche Studium abgeschlossen haben (28 Prozent). 27 Prozent haben alle Studien abgebrochen.

Frauen schließen öfter ab

Frauen schließen ihr Bachelor- bzw. Diplomstudium in allen Hochschulsektoren öfter erfolgreich ab (um vier bis acht Prozentpunkte). Allerdings gibt es große Unterschiede bei den Fächern. Besonders in manchen Mint-Fächern (Informatik, Ingenieurwesen) schließen Frauen im Vergleich zu Männern selten ab. Die unterschiedliche schulische Vorbildung stehe mit diesen Zahlen im Zusammenhang: Den Informatik-Bachelor schließen Frauen an Unis demnach um zehn Prozentpunkte seltener ab. Werden nur jene mit HTL-Matura betrachtet, so gibt es keinen Unterschied mehr. Auch insgesamt würden in technischen Fächern auch deshalb mehr Männer abschließen, weil mehr männliche Studierende von einer HTL kommen und mehr Frauen einen AHS-Hintergrund haben.

Auch andere soziodemografische Merkmale haben einen Effekt auf die Erfolgsquote. Ältere Studienanfänger haben beispielsweise in allen Sektoren eine geringere Abschlusswahrscheinlichkeit, und mit Berufsreife- oder Studienberechtigungsprüfung sind die Erfolgsquoten ebenfalls geringer. HTL-Maturanten sind in ingenieurwissenschaftlichen Studien besonders erfolgreich, AHS-Maturanten haben in vielen Universitätsstudien besonders hohe Erfolgsquoten, und HAK-Maturanten sind in wirtschaftswissenschaftlichen Studien tendenziell erfolgreicher.

Männer im Master

Masterstudien an öffentlichen Unis werden von Frauen und Männern etwa gleich häufig abgeschlossen (nach sechs Semestern 40 Prozent), an Fachhochschulen weisen Frauen hingegen höhere Erfolgsquoten auf. Beim Übertritt in den Master gibt es deutliche Unterschiede: 77 Prozent der Männer hängen ein Masterstudium an, bei den Frauen sind es 68 Prozent. Dieser Unterschied ist laut IHS vor allem auf die unterschiedliche Fächerwahl zurückzuführen. Frauen würden häufiger Fächer studieren, in denen die Übertrittsrate allgemein niedriger ist, erläutert Unger. Auch den nächsten Schritt – den Übergang zum Doktorat – gehen mehr Männer als Frauen (21 versus 13 Prozent).

Keine große Zufriedenheit

Über alle Hochschulsektoren hinweg sagen nur 44 Prozent der Studenten, dass ihre Erwartungen in das Studium voll erfüllt wurden. Je nach Sektor gibt es aber auch hier Unterschiede: Die Spannbreite in den Sektoren reicht von 41 Prozent (Unis und PHs) bis 58 Prozent (Vollzeit-FH-Studiengänge). An Unis würden einige Studierende Praxisorientierung vermissen. Laut Unger könne dies ein Zeichen für unzureichende Information vor dem Studium sein. Auch Pichl betont, dass in Beratung investiert werden müsse, allein schon wegen der hohen Wechselquoten. An den wissenschaftlichen Unis zweifelt jeder Fünfte (21 Prozent), ob "Studieren das Richtige für mich ist", an den Fachhochschulen sind es dagegen nur 14 Prozent, an Pädagogischen Hochschulen nur neun Prozent.

Grundsätzlich verzeichnen Fachhochschulen bei der Zufriedenheit höhere Werte, an Pädagogischen Hochschulen sind Studierende am unzufriedensten – vor allem was Organisation und Inhalt des Studiums betrifft. Hier hoffe man mit der neuen Ausbildung für Pädagogen auf bessere Werte, sagt Pichl. An Unis ist die Unzufriedenheit besonders in den Rechtswissenschaften, Architektur, Pharmazie oder auch Pädagogik groß. "Überall, wo man nur eine Nummer ist", sagt Unger dazu. (lhag, APA, 14.7.2017)