Recep Tayyip Erdogan ließ zum Jahrestag des Putschversuchs eine Nachricht vor Handyanrufe schalten.

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Der Präsident meldet sich ungefragt: Zahlreiche Handynutzer in der Türkei bekamen bei Anrufen in der Nacht zu Sonntag vor ihrem gewünschten Gesprächspartner zunächst eine aufgezeichnete Nachricht von Recep Tayyip Erdogan zum Jahrestag des Putschversuchs zu hören. In den sozialen Netzwerken löste das noch nie da gewesene Vorgehen des Präsidenten eine Welle von Reaktionen aus.

Glückwünsche

"Als Ihr Präsident gratuliere ich Ihnen am 15. Juli zum Tag der Demokratie und der Nationalen Einheit. Möge Gott Erbarmen mit unseren Märtyrern haben. Ich wünsche unseren Veteranen Gesundheit und Wohlbefinden", sagte die Stimme Erdogans vor dem Aufbau der Verbindung.

Bei allen Mobilfunk-Anbietern in der Türkei wurde die Nachricht abgespielt. Nach einem Bericht des Senders CNN Turk begann die Aktion kurz nach Mitternacht (Ortszeit). Der Chef der Telekommunikationsbehörde BTK, Ömer Fatih Sayan, verbreitete den 16 Sekunden langen Audio-Clip auf Twitter und teilte mit: "Alle unsere Bürger hören bei Anrufen die Nachricht von Präsident Recep Tayyip Erdogan zum Tag der Demokratie und der Nationalen Einheit am 15. Juli." Allerdings gab es auch Anrufer, die berichteten, bei ihrer Telefonverbindung habe Erdogan nicht gesprochen.

Eingriff in private Kommunikation

In den sozialen Netzwerken löste das noch nie da gewesene Vorgehen des Präsidenten eine Welle von Reaktionen aus. Manche Nutzer zeigten sich von der Telefonaktion schockiert. Einige veröffentlichten Videos, in denen sie am Telefon Erdogans Nachricht abwarten, bevor sie mit Freunden und Verwandten verbunden werden. Auch die Antworten auf Sayans Tweet fielen nicht durchweg positiv aus: Ein Twitter-Nutzer zog Parallelen zu einem Überwachungsstaat, ein anderer sprach von einer "Diktatur".

Während die Anhänger des islamisch-konservativen Staatschefs, dem von seinen Kritikern ein autoritäres Vorgehen vorgeworfen wird, die Botschaft von Erdogan begrüßten, sprachen seine Gegner von einem Eingriff in die private Telekommunikation. "Es reicht. Jetzt schaltet er sich sogar in unsere Telefone ein. Das ist ein Alptraum", schrieb der Abgeordnete der Oppositionspartei CHP, Aykut Erdogdu, im Onlinedienst Twitter.

Direkt nach dem fehlgeschlagenen Putsch am 15. Juli vergangenen Jahres hatten Millionen Türken eine SMS ihres Präsidenten erhalten. Damals hatte er dazu aufgerufen, den "heroischen Widerstand" fortzusetzen – unterschrieben mit "R. T. Erdogan".

In der Nacht auf Sonntag fanden die zentralen Gedenkveranstaltungen zur Niederschlagung des Putschversuches vor einem Jahr statt. Erdogan hatte am Samstag bis spät in die Nacht an einer ganzen Reihe von Gedenkveranstaltungen zu dem Putsch teilgenommen. Der Präsident hielt bis zum Morgengrauen drei Ansprachen. (APA, 16.7.2017)