Bundeskanzler Christian Kern geht davon aus, dass nach der Wahl im Oktober rund die Hälfte der Abgeordneten im SPÖ-Klub Parlamentsneulinge sein werden. Und wer weiß, vielleicht erfüllt sich die Vorhersage des SPÖ-Vorsitzenden. In der jüngeren Vergangenheit jedenfalls ist personelle Erneuerung in diesem Ausmaß nur selten vorgekommen – und am wenigsten bei der SPÖ.

Die Grafik unten zeigt, wie viele Prozent aller Abgeordneten, die in einer Legislaturperiode angelobt wurden (egal ob zu Beginn oder später), in der vorangegangenen Periode nicht im Nationalrat vertreten gewesen waren. Somit ist die Zählung sogar etwas großzügiger, weil auch Mandatare, die eine oder mehrere Perioden Unterbrechung aufweisen, als Neulinge gezählt werden.

Für die Gesamtheit der Abgeordneten beträgt die Neulingsquote meist zwischen 30 und 40 Prozent. Allein nach der Wahl 1995 lag sie bei 19 Prozent – wohl eine Folge dessen, dass die vorangegangene Legislaturperiode nur ein Jahr gedauert hatte.

Auffallend ist, dass von allen Parteien ausgerechnet die SPÖ im Mittel die niedrigsten Erneuerungsraten aufweist. Im Schnitt ist ein gutes Viertel der roten Abgeordneten pro Legislaturperiode neu im Nationalrat. Um die Vorgabe des Kanzlers zu erreichen, müssen die Sozialdemokraten ihre personelle Auffrischung also mit doppelter Intensität betreiben.

Hohe Werte bei FPÖ 1999

Bei der Interpretation dieser Werte muss man natürlich mitdenken, dass die Zahl der Abgeordneten in einem Parlamentsklub von Periode zu Periode nicht konstant ist. Wer stark Stimmen und Sitze dazugewinnt, wird zwangsläufig neue Personen ins Parlament bringen. Das erklärt die hohen Werte bei der FPÖ und den Grünen im Jahr 1999 und bei der ÖVP im Jahr 2002.

Personelle Erneuerung passiert aber auch als Folge von Krisen, etwa nach der Spaltung der FPÖ im Jahr 2005 (FPÖ und BZÖ wurden in der Grafik zusammengefasst, da der personelle Austausch zwischen den beiden Parteien sehr hoch war). Da die meisten blauen Abgeordneten ins orange Lager wechselten, setzte sich der FPÖ-Klub nach der Wahl 2006 fast gänzlich aus Mandataren zusammen, die in der Periode zuvor nicht im Nationalrat vertreten gewesen waren.

Erneuerung durch Austausch

Sollte die Kanzlerpartei also im Oktober nicht massive Stimmengewinne erzielen (die Umfragen zeigen für den Moment im besten Fall ein leichtes Plus), dann wird die SPÖ nur durch Personalaustausch die Erneuerung im gewünschten Ausmaß erzielen. Diesen Austausch muss man aber großflächig organisieren, da mehr als die Hälfte der SPÖ-Mandate aus den Regionalwahlkreisen kommen. Somit werden wir erst nach Vorlage aller Wahlvorschläge einschätzen können, ob die personelle Erneuerung des SPÖ-Klubs auch in dem vom Kanzler angestrebten Ausmaß realistisch ist. (Laurenz Ennser-Jedenastik, 17.7.2018)