"Bastien und Bastienne" in der Bibliothek von Stift Altenburg.

Foto: Barbara Palffy

Altenburg – Was macht man als Zwölfjähriger so? Heutzutage vorrangig: die Eltern um ein leistungsfähiges Smartphone anbetteln und ganz schnell mindestens 14 sein wollen. Seinerzeit gab es da auch Alternativmöglichkeiten. Jesus lehrte zum Beispiel im Tempel – in einem hellroten Gewand, wie das zentral positionierte Gemälde von Johann Jakob Zeiller in der Bibliothek von Stift Altenburg zeigt. Und Wolfgang Amadé Mozart schrieb mit zwölf das Singspiel "Bastien und Bastienne", das man bis Ende Juli ebenfalls in der Stiftsbibliothek zu sehen und zu hören bekommt.

Denn: Das Teatro Barocco von Bernd R. Bienert bespielt den großartigen barocken Raum wieder einmal mit klassischem Musiktheater und ergänzt die farbenfrohe, hochtheatralische Innenarchitektur des kirchenähnlichen Saals mit flammenden Klängen und exaltierten Gesten – beschäftigen sich der ehemalige Tänzer und Choreograf Bienert und seine schätzenswerte Unternehmung doch mit der peniblen Rekonstruktion von Gesamtkunstwerken der frühklassischen Zeit.

Diese soll neben den musikalischen Belangen auch die Kostüme, das Bühnenbild und das schauspielerische Verhalten umfassen. Und so sieht man bei der Aufführung von Mozarts Frühwerk eine Abfolge von Gesten, die wahlweise an eine überdrehte Gebärdensprache, an die Stummfilmzeit oder an die Sicherheitsanweisungen von Stewardessen vor dem Flug erinnern. Megan Kahts (Bastienne) agiert so in einer sich zentralperspektivisch verjüngenden Flucht aus Säulen und Holzgattern apart artifiziell, und auch Pablo Camaselle (Bastien) beweist sich als ein kindliches Schwergewicht in Sachen theatralischer Tragikomik. Da hätte es des Dorfwahrsagers Colas (Marcus Pelz) wahrscheinlich gar nicht bedurft, damit zwischen dem Schäferpaar wieder emotionale Harmonie herrscht.

Explosivität, Elastizität und Eleganz

Doch zu einem Gesamtkunstwerk gehört neben der Szene ja auch die Musik, und auch die begeistert in Altenburg überdurchschnittlich. Das schlank besetzte, achtköpfige Ensemble des Teatro Barocco mischt unter der Leitung von Konstantinos Romanos Papazoglou Explosivität, Elastizität und Eleganz in wechselnden, aufregenden Verhältnissen. Für die explosiven Impulse ist vorrangig Konzertmeister Dimitris Karakantas verantwortlich, dessen kraftvolles Spiel die Grenze zur Kratzbürstigkeit lustvoll überschreitet.

Sogar Mozarts heiteres D-Dur-Divertimento KV 136 eröffnet der junge Geiger mit einem grimmigen, bissigen Ernst à la Nikolaus Harnoncourt und duelliert sich in weiterer Folge lustvoll auf musikalische Weise mit der zweiten Geigerin, Jennifer Lippl. Auch im letzten Teil des sonnigen Stücks hat Karakantas noch einen beträchtlichen Energieüberschuss abzuführen. Da fällt die Balletteinlage dazu deutlich zurückhaltender aus: Bettina Knett ist hier – in einer rekonstruierten Choreografie von 1779 – ganz blumenumkränzter, puppenhafter Liebreiz.

Als Dessert des Programms wird dann noch Schuberts vergnügliches dramatisches Terzett "Der Hochzeitsbraten" kredenzt (in einer Orchesterfassung von Franz de Paula Roser von 1829). Kahts und Camaselle präsentieren in dem amüsanten Zehnminüter noch einmal ihre raumfüllenden vokalen und darstellerischen Qualitäten, und dann finden sowohl die Hasenjagd als auch die Reise in die Vergangenheit auch schon ihr beglückt beklatschtes Ende. (Stefan Ender, 17.7.2017)