Sarah Puntigam schätzt sich als "ballsicher und zweikampfstark" ein. Beides kann beim EM-Debüt gegen die Schweiz nicht schaden. Die 24-jährige defensive Mittelfeldakteurin wird gegen die Schweiz voraussichtlich zum 70. Mal im Teamdress spielen.

Die Haupttribüne im Stadion Wageningse Berg in Wageningen wirkt baufällig. Der ansässige FC Wageningen ging vor 25 Jahren bankrott. Aber der Rasen ist in optimalem Zustand, seit einigen Tagen üben hier Österreichs Teamfußballerinnen. Nur ein paar Meter vom Stadion entfernt residieren sie im Hotel Wageningse Berg. Die Lage: am Stadtrand, ruhig, uneinsichtig. "Schöner hätten wir's nicht erwischen können", sagt Offensivspielerin Nicole Billa.

Aber das Team ist nicht auf Erholungsurlaub, gibt das langersehnte Debüt bei einer Fußballeuropameisterschaft. Zum Auftakt geht es am Dienstag (18 Uhr, live ORF 1) in Deventer gegen die Schweiz. Billa: "Ich freue mich, dass es endlich losgeht." Nervös sei sie nicht. "Ich bin die Ruhe in Person." Erst auf dem Spielfeld mutiert Billa zu einer anderen Person. Die 21-jährige Tirolerin, die es bereits auf 30 Teameinsätze gebracht hat, ist eine der torgefährlichsten Spielerinnen in Österreichs Auswahl.

Die Verantwortung

Sarah Puntigam ist nicht unbedingt fürs Toreschießen zuständig. Mit ihren 24 Jahren und 69 Teameinsätzen zählt die defensive Mittelfeldspielerin zu den Routiniertesten im Kader. "Ich versuche, im Spiel Verantwortung zu übernehmen. Ich bin eine, die Ruhe reinbringt."

Ruhe kann gegen die Schweiz nicht schaden. Die Eidgenossinnen sind Favoritinnen, wollen unbedingt ins Viertelfinale. Ein Sieg gegen Österreich, den Weltranglisten-24., ist für die Nummer 17 somit Pflicht. "Sie haben viel individuelle Klasse", sagt Billa. Vor allem in der Offensive. Star des Teams ist die 26-jährige Stürmerin Ramona Bachmann, die seit heuer für den FC Chelsea spielt.

Was die Entwicklung im Frauenfußball angeht, ist die Schweiz durchaus mit Österreich vergleichbar. Beide Nationen haben sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich nach oben gearbeitet. Beide Nationen verstehen sich als Ausbildungsländer, haben zahlreiche Legionärinnen – die meisten in Deutschland.

Allerdings sind die Schweizerinnen Österreich ein paar Jahre voraus. Vor zwei Jahren erreichten sie bei der Weltmeisterschaft in Kanada das Achtelfinale. Die erstmalige Qualifikation für eine EM meisterten sie ohne Punkteverlust. Die bisher letzte Begegnung ist fünf Jahre her, die Eidgenossinnen gewannen in einem Test 2:1. In acht bisherigen Duellen siegte sechsmal die Schweiz, einmal gewann Österreich, einmal remisierte man.

Stärke: Angriffspressing

"Man kennt sich ganz gut. Die Schweiz wird versuchen, ihr Spiel zu spielen", sagt Teamchef Dominik Thalhammer. Schwächen ortet Puntigam bei den Gegnerinnen am ehesten in der Defensive. Das Angriffspressing sei eine Waffe des ÖFB-Teams. Was das Spielsystem betrifft, ist Österreich flexibel. Puntigam: "Ich glaube, für die Schweizerinnen ist es schwer, uns einzuschätzen." In den vergangenen Tagen seien noch einige Freistoß- und Eckballvarianten eingeübt worden. Welche, verrät sie natürlich nicht.

Die Steirerin Puntigam, die beim SC Freiburg in der deutschen Bundesliga spielt, will sich vor dem EM-Debüt nicht verrückt machen lassen. Eine gewisse Nervosität, eine positive Anspannung gehöre natürlich dazu. "Wir wollen uns gut präsentieren, das Spiel eng gestalten, vielleicht einen Punkt mitnehmen."

Ob Kapitänin Viktoria Schnaderbeck dabei sein kann, wird kurzfristig entschieden. Die Innenverteidigerin laboriert an einer Knieverletzung, am Sonntag hat sie aber mit dem Team trainiert.

Kleinstes EM-Stadion

Das Stadion De Adelaarshorst (Adlerhorst) in Deventer kennen Österreichs Kickerinnen schon. Im Juni unterlag man in einem Test den Niederlanden 0:3. Muss ja kein schlechtes Omen sein. 8.000 Zuschauer fasst das kleinste der sieben EM-Stadien, 3.500 Tickets wurden bis Montag verkauft.

Prominenteste Akteurin der Partie ist die Frau an der Pfeife: Die Deutsche Bibiana Steinhaus gilt als beste Schiedsrichterin, wird ab kommender Saison auch in der ersten deutschen Bundesliga der Männer tätig sein. Vorerst ist Europameisterschaft, vorerst ist Österreich – Schweiz. Vorerst hat das ÖFB-Team die Ruhe weg. (Birgit Riezinger, 18.7.2017)

Frauenfußball-EM, Gruppe C, Dienstag

Österreich – Schweiz
Deventer, Stadion De Adelaarshorst, 18 Uhr, live ORF 1, SR Bibiana Steinhaus (GER)

Mögliche Aufstellungen:

Österreich: Zinsberger – Schiechtl/Kirchberger, Schnaderbeck/Kirchberger, Wenninger, Aschauer – Feiersinger, Zadrazil, Puntigam, Makas – Billa, Burger

Ersatz: Größinger, Pfeiler – Georgieva, Maierhofer, Naschenweng, Dunst, Eder, Klein, Prohaska, Enzinger, Pinther

Fraglich: Schnaderbeck (angeschlagen/Knie)

Schweiz: Thalmann – Crnogorcevic, Abbe, Kiwic, Maritz – Aigbogun/Terchoun, Moser, Wälti, Dickenmann – Humm, Bachmann

Ersatz: Michel, Friedli – Brunner, Rinast, Betschart, Zehnder, Calligaris, Mauron, Bernauer, Bürki, Reuteler

Es fehlt: Kuster (verletzt/nicht im EM-Kader)